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Intershop, der E-Commerce-Zombie

Wer kennt die Intershop AG nicht… Gemeint ist die Softwarebude aus Jena.

Seit den Zeiten des neuen Marktes wird hier versucht ein Geschäft aufzubauen und eigentlich ist das Subjekt wunderbar: E-Commerce boomt. E-Commerce boomt seit 15 Jahren. E-Commerce schneidet üblicherweise diverse Mittelsmänner (Ladengeschäfte, Vertriebspartner) aus der Handelskette und ermöglicht so einen höheren Profit bei geringeren Kosten.

Doch bis heute konnte Intershop nicht nachhaltig wirtschaften, war die allermeiste Zeit tief in den roten Zahlen. Ein Grund ist der falsche Ansatz gewesen: Es wurde zu früh und zu groß gebaut. Es waren eben die späten 1990er und alle wollten DER player am Markt werden. Also musste man zumindest… Weltmarktführer werden.

Es kam viel Geld durch den Börsengang, es wurde ein Hochhaus gebaut und die Burn-rate, also der Verlust, stieg immer weiter an an: Das Geld wurde knapper und knapper.

Es gab diverse Aktionen um die Gesellschaft zu retten und eine mehrfach drohende Insolvenz abzuwenden. In den 2000er Jahren wurde deshalb massiv Personal abgebaut und versucht, von den Fixkosten eines Weltmarktführers herunterzukommen — man war ja schliesslich auch nie einer…

Meines Wissens wurden auch sehr viele Entwicklungsausgaben gekürzt, die Entwicklung größtenteils nach Bulgarien verlegt. Man wollte sich gesundschrumpfen in einem Markt der grade kollabiert ward. Soweit so gut.

Als dann aber so ab 2005 die zweite, viel nachhaltigere E-Commerce-Welle rollte, war Intershop schon nicht mehr kompetitiv, zehrte von der Vergangenheit: Großkunden wie Quelle, Otto und die Telekeom, die sich über Jahre an Intershop gebunden hatten. Doch auch diese Versandhäuser/Konzerne haben den E-Commerce lange nicht begriffen, Quelle ist sicher auch deswegen untergegangen.

Heute, 2013, hat Intershop fast keine nennenswerten Großkunden mehr: Die auf der Website genannten Kundenreferenzen sind Augenwischerei: Der Miele Ersatzteilshop für Australien läuft zwar auf Intershop, stellt aber keine Relevanz dar.

Währenddessen hat sich der Markt weiterentwickelt und man kann diese grob in zwei Typen unterscheiden:

Typ 1 ist ein Versandhändler. Amazon, Otto, Zalando. Unternehmenszweck ist der Vertrieb von Gütern über das Internet im großen Stile

Typ 2 sind Online-Shops für Unternehmen, die selbst Waren herstellen oder die E-Commerce nur als einen kleinen Teil ihres Geschäfts verstehen.

Die Typ 1-Kunden müssen meiner Meinung nach in-house Technologie-Kompetenz schaffen, eigene Software-Teams aufbauen um schnell und innovativ am Markt agieren zu können. Bis heute ist Amazon führend in „Similarities“, also dem Anbieten von Produkten, welche einem Nutzer gefallen könnten, auf Basis seines bisherigen Kauf- und Nutzungsverhaltens. Das hat in Deutschland bis heute kein anderer E-Commerce-Shop hinbekommen! Dieser Ansatz ist kostspielig und nur für sehr, sehr große Retailer sinnvoll.

Typ 2-Kunden hingegen brauchen eine möglichst einfache, extern betreute Shoplösung. Ein SaaS quasi. Hier ist mit einzelnen Kunden eher wenig Geld zu holen, nur die Masse macht es. Der kanadische Anbieter Shopify.com ist hier auf einem sehr guten Wegen, diesen „long tail“ auch International zu bedienen. Daneben gibt es gratis Shopsysteme und diverser kleinere Anbieter mit sehr unterschiedlicher Qualität: Spreecommerce, Magento, Oxid. Weiterhin nutzen viele Amazon und eBay für ihren Warenvertrieb.

 

Intershop kann heute weder Typ 1 noch Typ 2-Kunden kompetitiv bedienen: Die technologische Grundlage um in der ersten Liga zu spielen ist schlicht nicht vorhanden, das Geschäft mit Typ 2-Kunden ist nicht lukrativ genug. Noch hat Intershop Typ 2-Kunden die glauben und zahlen, als wären sie Typ 1-Kunden. Doch der Preiskampf dürfte immer härter werden und die Einnahmen daher sinken.

Und dann gibt es noch Fälle wie Otto.de: Die haben nach 15 Jahren eingesehen, dass sie als einer der Weltmarktführer im Versandgeschäft auch Online mehr bringen müssen, als ein Standard-Shopsystem mit einer technologischen Basis von 1998: Anfang 2013 haben sie verkündet, ein eigenes Entwicklungsteam in Hamburg aufzubauen und zukünftig in eigener Regie eine Plattform zu entwickeln.

Das kann schiefgehen oder auch ein entscheidender Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Händlern sein.

Intershop ist so oder so nicht mehr dabei.

 

Ein Kommentar

  1. […] zu spät hat OTTO eingesehen, dass man mit E-Commerce-Software aus Jena keinen innovativen E-Commerce betreiben kann. Erst 2013, also 15 Jahre nach dem Start von Amazon in […]

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