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OTTO wird sterben!

Als ich im Jahre 2000 als jüngster Entwickler bei Amazon.de angefangen habe, war mir nach kurzer Zeit klar, dass Buchhändler und Mailorder-Versandhäuser untergehen werden, den Tod von Quelle hatte ich damals schon prognostiziert.

Nun schreiben wir bald das Jahr 2014: Quelle ist lange Geschichte und Amazon dominiert den Markt noch viel umfänglicher und nachhaltiger als jeder im Jahre 2000 zu prognostizieren wagte.

Seit 2008 hat Amazon.de die Kundenzahl um 66 Prozent auf 28 Millionen gesteigert, OTTO nur um 4% auf 7 Millionen Kunden.

Amazon hatte das Spiel in Deutschland bereits 2001 gewonnen, als sie operativ zumindest kurzfristig profitabel arbeiten konnten. Damit war das Business- und Wachstumsmodell validiert. Sämtliche weitere Expansionen sind aus dem operativen Cashflow entstanden, der ganze Cloud-Computing und Kindle-Expansion ist zwar eine Querfinanzierung aber insgesamt nachhaltig.

Das wollen und haben die deutschen Player bis heute nicht kapiert. Ob der alte Roßmann oder Michael Otto: Sie alle halten Amazon für ein auf Pump wachsendes Krebsgeschwür das früher oder später kollabiert. Die Gefahr besteht seit 2001 nicht mehr: Amazon wird bleiben, Amazon wird weiter wachsen.

Viel zu spät hat OTTO eingesehen, dass man mit E-Commerce-Software aus Jena keinen innovativen E-Commerce betreiben kann. Erst 2013, also 15 Jahre nach dem Start von Amazon in Deutschland, hat OTTO sich entschieden, eine eigene Software-Abteilung aufzubauen und die Shopsoftware selbst zu entwickeln.

Dabei ist der Markt schon längst viel weiter: Amazon Marketplace war ein ultimativer Geniestreich, denn es bestand aus großen Teilen aus den gescheiterten „Varzea“-Anwendungen Auctions und zShops. Amazon Marketplace bestand beim Launch unter dem Projektnamen SDP (Single Detail Page) zum größten Teil aus vorhandenem Code der für das neue Geschäftsmodell geringfügig angepasst wurde.

Es ist für mich unbegreiflich, wie deutsche Versandgrößen die Marketplace-Plattform bis heute nicht verstehen können. Sie liefert Amazon enorme Einnahmen ohne dafür etwas kostenintensives tun zu müssen: Sogar Katalogdaten werden von Verkäufern gratis eingespielt/gepflegt. Amazon hat hierbei exakt keine Kosten was Lager, Distribution und Versand angeht und kann die Provisionen steuerlich optimal als Einnahmen aus digitalen Services in Luxembourg verbuchen.

Weiterhin hat Amazon vor zwei Jahren für knapp 800 Mio $ in Cash den Robotikhersteller Kiva Systems übernommen. Kiva entwickelt Roboter welche das gesamte Picking automatisieren: Am Ende werden nur noch Menschen zum Einpacken der Waren benötigt. Picker-Jobs sind körperliche Schwerstarbeit und skalieren nicht. Die jüngsten Klagen aus Amazon-Versandlagern in Deutschland und Großbritannien bestätigen diese Aussage.

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Amazon ist schlau und verlegt vermutlich (vorübergehend) einen Großteil der Versandzentren in das osteuropäische Ausland um mittelfristig Personalkosten und Ärger mit westeuropäischen Gewerkschaften zu umgehen. Langfristig besteht jedoch kein Zweifel daran, dass Amazon auch hier auf Automation setzen wird. Dann reicht 1/10 des bisherigen Personals zur Abwicklung der Bestellungen aus.

Durch den Zukauf von Kiva ist Amazon im Besitz des Innovationsführers in dieser Branche, während bei OTTO meines Wissens noch „von Hand gepickt“ wird. Was für ein Vorteil, den Amazon bisher noch nicht ausspielt!

Aus dem Bauch heraus geschätzt müsste OTTO alleine für die E-Commerce-Web-Software einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag an Entwicklungskosten investieren. Die Distributions-Robotik zu entwickeln und zu beschaffen dürfte noch weitaus teurer sein.

Um also nur auf das aktuelle Amazon-Niveau zu kommen, müsste OTTO vermutlich mindestens 1-2 Milliarden Euro investieren. Und um Markanteile zurückzugewinnen müsste ein massiver Preiskampf ausgefochten werden. Amazon.de hingegen hat sich schon vor einiger Zeit von der „Preisgarantie“ verabschiedet, der günstigste Händler zu sein. Im Gegenteil: Auf Geizhals.de rangiert Amazon mittlerweile immer im Mittelfeld.

Das kann für OTTO nicht funktionieren!

OTTO, als Versandhändler, ist dem Untergang geweiht. Ähnlich wie damals bei Quelle werden wir hier noch ein paar Jahre Siechtum miterleben dürfen, zumal Michael Otto schon 70 Jahre alt ist und wahrscheinlich das Problem nicht erkannt und unter Garantie nicht mehr selbst lösen können wird.

Noch bevor OTTO zusperrt, dürfte DBH Buch Handels GmbH & Co. KG, besser bekannt unter den Einzelmarken Hugendubel, Weltbild etc. untergehen, danach die MediaSaturn Gruppe (u.a. Media Markt, Saturn)…

Update:

Ich muss jetzt doch noch was zu Zalando und zu Paketdiensten schreiben:

1. Ich halte Zalando für ein Potemkinsches Dorf. Ähnlich wie Amazon in den 90ern wird zwar mit einem aggressiven Expansionskurs versucht, Märkte zu erobern — darin sind die Samwer-Unternehmen gut — jedoch die technologische Basis, soweit sie mir bekannt ist, halte ich für nicht konkurrenzfähig. Die zwangsläufigen Skalierungsprobleme im Logistikbereich sowie die hohe Retourenquote dürften das Wachstum zudem begrenzen.

Ich schliesse nicht aus, dass eine traurige Handelsgruppe doch noch Zalando für eine hohe Summe übernehmen wird, womöglich sogar eBay (die den Anschluss an Amazon auch schon vor Jahren verloren haben und sich Brands4Friends andrehen haben lassen). Und natürlich gibt es in der Schuhbranche noch sehr viele Möglichkeiten einer Konsolidierung. Aber ich halte es für ausgeschlossen, dass Zalando zeitnah in Branchen ausserhalb von Schuhe und Fashion vordringen kann. Amazon als „Meta“-E-Commerce-Unternehmen kann hier auf Zeit spielen und Zalando so lange in einer „kontrollierten“ Nische auf vergleichsweise kleiner Flamme abbrennen lassen. Irgendwann wird die Vernichtung Zalandos ganz oben auf der Agenda von Amazon stehen, das ist augenscheinlich noch nicht der Fall. 

2. Persönlich spannender finde ich die Entwicklung im Paketzusteller-Geschäft: Einige haben schon angekündigt eine Hauszustellung wegen des gestiegenen Sendungsvolumens nicht mehr geregelt zu bekommen und möchte Sendungen lieber zukünftig irgendwo abladen. Post/DHL hat massiv in Packstationen investiert und hier einen Vorteil. Amazon dürfte langfristig aber daran interessiert sein, den Versand auch selbst kontrollieren zu können, beispielsweise um Spät- oder Expresszustellungen (Lebensmittel?) abwickeln zu können. Solange noch genügend Paketdienste für Amazon springen und deren Wünsche erfüllen, gibt es auch hier keinen Grund diese zu bekämpfen. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass kein Marktteilnehmer bisher den Service von DHL erreicht.

Amazon wird alle Mittelsmänner im Geschäftsmodell ausschalten — Paketzusteller sind Mittelsmänner.

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Update 12.01.2014:

Thalia gehört natürlich nicht zur DBH. Danke für den Hinweis!

Update 19.04.2016:

Amazon Deutschland machte 2015 mehr Umsatz als der komplette Otto-Handel

Währenddessen wird über den Kauf des Flughafens Frankfurt-Hahn durch Amazon spekuliert, der von Amazon als Luftfracht-Drehkreuz für Asien->Europa genutzt werden könnte. Weiterhin gibt es laufend Spekulationen über die Erweiterung des Amazon-eigenen Zustelldienstes z.B. in Berlin und den Aufbau von Amazon-only Packstationen.

Die Aussage des Hermes-Managers (Otto Group), Amazon könnte diese Boxen dann mit Hermes teilen, zeugt von einer vollkommenen Realitätsverzerrung von Hermes. Hermes ist nicht Schlachter, Hermes wird geschlachtet werden.

4 Kommentare

  1. Randolf Dieckmann Randolf Dieckmann

    Nur so am Rande: Thalia gehört nicht zur DBH, sondern zur Douglas Holding.

    • Roland Roland

      Danke für den Hinweis!

  2. […] Und jetzt kommt Amazon ins Spiel: Für den Vertrieb von verderblichen Gütern, also bspw Lebensmitteln, braucht man eine gute Logistik. Aber auch die gesamte Infrastruktur was Vertrieb/Website/Support/Payment angeht. Das alles hat Amazon. Amazon hat mittlerweile auch viele dezentrale Standorte in Deutschland und die schon angesprochene K…. […]

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