Tesla hat mit dem Model S bewiesen, dass man durchaus heute ein 100% elektrisch fahrendes Mittelklasse Auto herstellen und fahren kann, wenngleich die Preise noch immer sehr hoch sind und Tesla hochgradig defizitär arbeitet. Aber der Beweis ist erbracht, dass es beim jetzigen Stand der Technik möglich ist, auch über Kleinserien hinaus. Aber es gibt einige Aspekte, die mich beschäftigen und die ich hier mal aufschreiben möchte:
Wirtschaftlichkeit
Teslas Model S und Model X sind sehr teure Autos im Bereich von 70-160.000€, weit über dem durchschnittlichen Preis eines Verbrenners. Zwar gibt es für einige Jahre steuerliche Vorteile und teilweise auch subventionierten Strom (Supercharger), dies wird sich aber auf Dauer ändern und diese Vorteile werden leider schwinden. Bizarrerweise zahlt man als EV-Besitzer auch auf verbrauchten Strom die vollen EEG-Umlagekosten, also exakt die selben Preise wie für den privaten Verbrauch. Dies ist ebenso bizarr wie die Besteuerung von Diesel für z.B. Eisenbahn bei gleichzeitiger Steuerfreiheit von Kerosin für den Luftverkehr. Wenn der Staat sich schon entschliesst, durch unterschiedliche Besteuerung einen Einfluss auf die Verkehrsströme und Eigentum zu nehmen, dann sollte dies bitte auch so geschehen, dass es nachhaltigen Zielen zuträglich ist!
Als Tesla-Besitzer hat man weiterhin auch Nachteile dadurch, dass man ein geringes Service-Stellen-Netz hat, als z.B. die Eigentümer von Lamborghini-Sportwagen. Das liegt in der Natur der Sache eines kleinen, „neutralen“ Herstellers mit diversen Sonderbauformen und verursacht signifikant höhere Kosten bei Defekten ausserhalb der Garantiezeit oder bei Unfällen.
Wie in der Einführung geschrieben, ist Tesla trotz der hohen Preise nicht kostendeckend tätig, d.h. ein Model S wird noch immer unter Wert verkauft und durch Drittmittel quersubventioniert: In den USA, insbesondere in Kalifornien, durch E-Auto-Subventionen, im allgemeinen aber durch frisches Kapital welches Tesla sich jährlich am Kapitalmarkt beschafft. Das ist natürlich nicht nachhaltig und könnte Tesla irgendwann in den Ruin treiben.
Was hier natürlich fehlt, ist der Gesellschaftliche Nutzen von EVs, insbesondere in Feinstaub- und Stickoxid-geplagten Großstädten. Gesundheitliche Folgen kosten ebenso Menschenleben und verursachen Kosten, wie auch Strafzahlungen durch Grenzwertüberschreitungen oder Regulierungsaufwände zB durch Sperrung von Innenstädten. Hier könnte eine größere Zahl von EV durchaus helfen, Kosten zu senken und dementsprechend wäre auch eine weiterführende Subvention denkbar. Dies geschieht aktuell durch den geförderten Ausbau von öffentlichen Ladesäulen bzw. Schaffung von speziellen EV-Parkplätzen, ist aber nicht zielführend, darauf komme ich später noch zu sprechen.
Akkus
Während die Kosten für Li-Ion-Akkus weiter stark fallen, nehmen auch die Weiterentwicklungs-Erfolge bei den Zellen ab, d.h. weitere Kapazitätssteigerung pro Zelle werden immer schwerer zu realisieren. Kurzfristig ist das jedoch weiterhin sehr positiv, denn durch die gesunkenen Preise kann man deutlich mehr Akkus verbauen und auch bei günstigen Kleinfahrzeugen eine höhere Reichweite ermöglichen. Leider sind Akkus schwer und groß: Weil man sich bei EV einen Großteil der Mechanik spart, hat man zwangsläufig mehr Platz im Auto als in einem Verbrenner und kann diesen für Akkus nutzen. Trotzdem ist z.B. das Model S ein sehr schweres und breites Auto und für die städtische Nutzung nicht sonderlich geeignet, Stichwort Parkplatz.
Nun gibt es bald auch von Tesla mit dem Model 3 einen EV-Kleinwagen in „Golf-Größe“, der damit auch in Städten flexibel einsetzbar sein soll. Warten wir es ab. Mittelfristig werden andere Akkuformen oder vermutlich Kondensatoren das Problem aber sowieso entschärfen.
Typische Nutzung
Während man einen Verbrenner regelmäßig in wenigen Minuten an einer Tankstelle auftanken kann, erfordern EV ein anderes Nutzungs- und Ladeverhalten. Ansich kein Problem, weil das typische Auto sowieso die meiste Zeit ungenutzt herumsteht, entweder zuhause oder in der Arbeit. Aber genau hier fangen die Probleme in den Städten an: Wer eine Mietwohnung bewohnt und sein Auto in der zugehörigen Tiefgarage parkt, hat keine Möglichkeit zur Ladung. Technisch würden zwar die üblichen 230 Volt Schuko-10A für eine Ladung über Nacht (12-14 Stunden) vermutlich ausreichen, aber es fehlt an den Steckdosen, Zählern und Zugangssystemen: Immerhin kostet die Kilowattstunde auch hier 30ct+ und eine Ladung „beim Nachbarn an der Dose“ würde bereits für 20-40€ Schaden sorgen. Das selbe Spiel dann auch wieder in den Tiefgaragen an der Arbeitsstelle bzw. beim Kunden.
In Modellversuchen lässt sich das im Einzelfall relativ einfach für eine Person lösen, aber es führt zu einer Ungerechtigkeit, weil eben nicht jeder Mieter oder Mitarbeiter einen Ladeplatz erhalten kann, ohne dass eine enorme Summe für die Infrastrukturnachrüstung investiert werden würde. So gibt es auch schon Fälle wo generell eine Installation untersagt wird, der Gerechtigkeit wegen. Und diverse Anbieter und Lösungen von Abrechnungslösungen für EV-Tankstellen.
Wenn man also in der Stadt in Gemeinschaftseigentum wohnt und 5km zur Arbeits-Tiefgarage fährt, hat man schlicht oft keine Möglichkeit zur Ladung und damit ist ein EV nicht sinnvoll. Die aufgestellten Ladesäulen oder Ladestationen sind vollkommener Unfug, verfügen diese mit Ausnahme von Teslas Supercharger (Die es prinzipiell nicht in Städten gibt) meist nur über eine geringe Ladeleistung und selbst diese ist, der Akkuchemie wegen, nur für ca 30-80% der Akkukapazität nutzbar. Während man damit wunderbar mit einem Model S Autobahnfahrten absolvieren kann und alle 2 Stunden eine 40 Minuten-Pause zum Laden, Essen und Toilettengang einplant, so ist das bei städtischen Pendelfahrten schlicht verschwendete Zeit. Autos müssen dort geladen werden, wo sie am längsten ungenutzt stehen. Zuhause oder bei der Arbeit. 2 Ladesäulen pro 200 Seitenparkplätzen sind ebenso idiotisch wie ein Netz von Ladestationen, an denen man mindestens jeden zweiten Tag für 30-40 Minuten stehen muss. Ebenso idiotisch sind Plug-In-Hybride, die das selbe Problem haben, oder „Benzin-Hilfsmotoren“. Sie alle lösen das Problem nicht und kosten eine Menge Geld.
Wenn schon, dann sollte der Staat Immobilienbesitzern und EV-Eigentümern einen subventionierten Ausbau von Parkplätzen anbieten – und zwar auf 16A 230V oder gleich 32A Drehstrom – oder diese Mittel in den ÖPNV-Ausbau stecken und generell den Besitz eines privaten Autos als nicht zielführend kommunizieren (mit allen Implikationen: City-Maut, einem strikten Grenzwert-Regime, Ausbau von Rad und Fusswegen).
Schon beim Ausbau von Glasfasernetzen für den Internetzugang hat es sich in München gezeigt, dass das verbleibende Nadelöhr die nicht vorhandene Glasfaser-Inhouse-Verkabelung ist und der Unwille von Eigentümern, hier Geld für eine Nachrüstung in die Hand zu nehmen (warum auch, kann nicht umgelegt werden und nicht mietrelevant).
Es ist ein Armutszeugnis, dass wir weiterhin fossile Brennstoffe verfeuern und uns mit damit entstehenden krebserregenden Abgasen vergiften nur weil wir nicht in der Lage sind, 230V Schuko-Dosen mit 16A-Dauerleistung, Zählern und Zugangssystem zu installieren.
Update:
Hallo. Super Artikel! Ja, Tesla ist (eigentlich) kein Auto für deutsche Städte: zu groß. Das Nachladen ist für die Menschen mit Eigenheim im städtischen Speckgürtel gut machbar. Beides passt wahrscheinlich auch zu Zielgruppe (in Bezug auf den Preis): gut verdienender in Umfeld einer Großstadt lebender Mensch, der ein repäsentatives Auto mag.
Neulich habe ich ein Elektroauto mit Sonnenkollektor gesehen. Ob das zum Nachladen während der Arbeitszeit reicht? (war ein BMW, gesponsert von den Stadtwerken eines Speckgürtelvororts 🙂 )
Grüße aus Hamburg.
Sono Motors https://www.sonomotors.com/de/sion.html hat einen Prototypen mit PV-Zellen auf dem Dach, aber ich befürchte, dass in den deutschen Tiefgaragen nicht ausreichend Licht vorhanden ist 😉
Ich hoffe mal, dass Akkus noch so viel billiger werden, dass man auch Strom für eine Woche „tanken“ kann und dann am Wochenende bzw über Nacht notfalls auch mit 10A-Schuko den Bedarf decken kann.
Dann braucht man nämlich weder in der Arbeit noch zuhause eine Wallbox und in der Arbeit nicht mal eine Schuko-Steckdose. 12h Standzeit zuhause sollten ausreichen um die Pendelstrecke wieder auszugleichen.