Viele Menschen scheinen nicht zu begreifen, wie mit dem Internet Geld verdient wird und wie das die Motivation bestimmter Angebote beeinflusst:
Online-Redakteure sind meist freiberufliche Tagelöhner oder abhängig angestellte Mitarbeiter und daher meist von einer fütternden Hand abhängig. Schlauerweise werden sie das beschriebene System und ihr eigenes Medium öffentlich so nicht in Frage stellen. Bestenfalls werden Sie versuchen den Absprung in Corporate-PR oder Kultur zu schaffen oder anonym das Geschäftsgebaren kritisieren. Letztlich sind nur wenige Menschen dazu in der Lage, von sich aus einen Absprung in qualitativ hochwertigere Arbeit zu beginnen, weshalb man sich ähnlich eines Stockholm-Syndroms immer weiter für die Branche verbogen hat:
Online verdienen die meisten dt. Medien nur durch Werbe-Einblendungen signifikant Geld, d.h. einerseits ist eine hohe Reichweite interessant, andererseits muss diese Reichweite auch ausreichend hohe Klickraten haben und eine Zielgruppe darstellen, die werberelevant ist (keine Angst, die Ansprüche sind nicht sehr hoch).
Wie treibt man nun zuverlässig die Besuchszahlen in die Höhe? Das Zauberwort heisst Clickbait – also das überspitze. implizierte Formulieren von Überschriften um einen Klickimpuls auszlösen.
Typische Beispiele: „Finanzamt hasst ihn: Mann zahlt erfolgreich keine Steuern mehr“. „Schuldenfrei mit diesen 3 einfachen, aber weitgehend unbekannten Produkten“
Dahinter dann butterweiche, abgeschriebene Agenturmeldungen oder Sex/Crime-Content aus dem Boulevard. Letztlich ohne journalistische Leistung.
Stimmt das Thema und ist die Geschichte ausreichend skurril, verbreitet sich der Link zum Artikel/Video wie ein Lauffeuer und sorgt für weiter steigenden Traffic, für mehr Werbeumsätze also auch höhere Profite.
Die richtige harten Medienarbeiter machen das noch viel brutaler: Sie suchen sich ein Thema aus, welches sie brutal oberflächlich bearbeiten (lassen) und auch Ungenauigkeiten in Kauf nehmen (tlw auch absichtlich) – und sorgen dafür, dass die informierte Zielgruppe diesen Beitrag in die Hände bekommt.
Der daraus resultierende Shitstorm und die immer weiteren Kreise der Empörung sorgen für immer neue Klicks, praktischerweise wird ja auch immer der Link zum Medium mitgeteilt. Schöner die Kassen nie klingeln!
Und so geht das Spiel in regelmäßigen Intervallen. Der Shitstorm sorgt für Reichweite und Reichweite wird zu Geld. Die sicherlich ehrenvollen Absichten der Menschen, die sich auf Twitter, Facebook und co darüber echauffieren und um Klarstellung betteln, werden immer und immer wieder aufs neue getriggert. Und immer gibt es Pageviews und Geld.
Wenn ihr euch also jede Woche 2x über irgend einen brutal schlechten Beitrag auf Focus Online, SPON oder der SZ aufregt, denkt mal darüber nach. Macht es wie Kachelmann, Bildblog oder Übermedien: Macht ein Screenshot und stellt den Sachverhalt in eigenen Worte klar (bzw. rantet ordentlich darüber). Setzt Links zu eurem Content, aber setzt um Himmels Willen keine Backlinks (auch nicht in Tweets oder FB-Posts) auf diese Schund-Medien und verhindert damit, dass eure „Freunde“ und „Follower“ in diese Falle tappen und eurem Unterfangen durch die weitere Finanzierung in den Rücken fallen.
Das gilt übrigens auch für Buden, die Adblock-Blocker einsetzen. Ich verbreite so gut wie keine Links zur Wirtschaftswoche oder SZ mehr. Wer Adblocker blockt und mich weiterhin auffordert, drive-by-malware anzunehmen, hat keinen Link verdient sondern die Aufmerksamkheit eines vorläufigen Insolvenzverwalters — irgendwann.
Als Nichtzahler seid Ihr für Twitter, Facebook und Medien nur das Produkt, eine Milchkuh oder das Schlachtschwein. Wenn ihr überhaupt einen Wert für sie darstellt, dann ist es euer Netzwerk, eure Follower, eure On/Offline-Bekannten und die daraus resultierende Nutzungshäufigkeit/Pageviews/Traffic. Liefert sie deshalb nicht gratis mit an den Schlachter.
Kapiert das Spiel!