Podcasting ist wohl so populär wie noch nie, jeder und seine beste Freundin starten ein Podcasting-Format und hoffen insgeheim auf Popularität und vielleicht auch auf Anerkennung ähnlich der ungeschriebenen Könige des deutschen Podcasts Tim, Holgi, Bitsundso, Fanboys, Hoaxilla, Omega-Tau oder internationaler Größen wie 5by5, TWiT und co.
Diese Podcasts sind super erfolgreich, alle seit Jahren in regelmäßiger Wiederkehr in iTunes und anderen Plattformen gefeatured. Bis auf Bitsundso hat aber keines dieser Podcasts ein Geschäftsmodell, sie werden mehr oder weniger vollständig als Hobby betrieben. Geschenke und Flattr-Klicks sind dort natürlich gerne gesehen, aber es gibt keine „feste Höhe“ oder sonstige kalkulatorische Form.
Für ein Hobby ist das vollkommen in Ordnung.
Manche der o.g. angesprochenen Podcaster realisiert für Dritte auch kommerzielle Podcasts als bezahlte Auftragsarbeit, somit lassen sich Investitionen in die Ausstattung zumindest steuerlich absetzen. Ich sehe aber nicht, dass es hierfür einen besonders großen Markt gibt, oder um einen Vergleich heranzuziehen: Es gibt über Agenturen sicher tausende Moderatoren für Events zu buchen, aber nur die wenigsten Moderatoren können ausschliesslich davon leben und gehen einer anderen, bezahlten Tätigkeit nach.
Selbst wenn man nur Zuhörer ist, so erkennt man bei einer Vielzahl der Produktionen den dafür notwendigen enormen Zeit- und Ressourceneinsatz. Zeit, die der Familie, der Erholung und letztendlich auch dem Gelderwerb nicht zuträglich sind.
Ich finde das traurig, denn im Gegensatz zu vielen „Profi-Bloggern“ gibt es hier eine wirklich sehr große Fangemeinde die sicherlich auch bereit wäre, eine Form der Monetarisierung zu ertragen oder gar zu unterstützen. Beispielsweise Episoden-Sponsoring wie bei populären US Podcasts (max 1-2 pro Sendung) oder durch ein Abomodell, wie es Bitsundso als einer der ersten in Deutschland anbietet. Es muss ja nicht gleich eine Benachteiligung oder der Ausschluss von „Gratis“-Hörern sein, aber ein geregeltes, freiwilliges, System um Beispielsweise pro Format 5€ im Monat zu bezahlen, ist mit Systemen wie Stripe sehr schnell und ohne weitere Mittelsmänner (Paypal, Flattr) umgesetzt, günstiger und verlässlicher/planbarer als Flattr-Klicks.
Eine Kommerzialisierung bedeutet hier nicht zwangsweise das Zuschütten von Podcasts mit Werbung sondern eben auch, dass sich allgemein Leute an technische Probleme heranmachen und daraus Produkte entwickeln können. Auphonic beispielsweise. Oder Tools, die das Hosting von Podcasts erleichtern, Feedburner ersetzen, eine Live-Streaming-Plattform anbieten, die zu klaren Konditionen jedem offensteht (im Gegensatz zu Xenim), etc. pp. — Ein könnte sich also ein technischer Tool-Markt entwickeln.
Oder eine fairere Entlohnung für Community-Projekte wie den Shownotes ermöglichen.
Solange der Podcasting-Markt aber fast aussliesslich aus selbstausbeutenden Hobbyisten (wirtschaftlich, keinesfalls technisch!) besetzt ist, kann man darauf kein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln. Wie soll jemand, der pro Monat 40 Stunden seiner Freizeit in Podcasting steckt, dann noch für einen Hosting-Service 100€ pro Monat zahlen? Das ist nicht vertretbar und führt zu einem Burnout oder einer Verschuldung des Betreibers. (Anm: Parallelen zur Piratenpartei…)
Kein etablierter Entwickler wird sich auf Grundlage diesen Marktes ernsthaft mit der Entwicklung und Verbesserung von Produkten oder Podcast-Playern beschäftigen, zumindest dann nicht, wenn er halbwegs rechnen kann.
Das führt zu Nachteilen der deutschen Podcasting-Szene, denn das Spiel wird im US-Markt gespielt, dort wird entschieden welche Innovation in den Massenmarkt kommt und welche Plattformdienste sich durchsetzen.
Man kann das sehr gut an der mangelhaften Unterstützung von Kapitelmarken oder enhanced web playern ansehen. In den USA gibt es keinen Bedarf, denn talk radio wird dort einerseits als Kapitellos angesehen, andererseits haben beherrschende Player und Syndikations-Systeme auch bisher keine Anstalten gemacht, in diese Richtung zu gehen. News-Formate wie Ruby5 (aus dem 2007 gegründeten RailsEnvy/EnvyCast hervorgegangen) oder Developing Perspective haben hierfür eigene Lösungen oder kommen mit simplen Linklisten aus.
Jedem, der sich in Deutschland in seiner Freizeit für die Verbesserung einsetzt, gebührt höchste Anerkennung, aber ich befürchte, dass diese Mühen umsonst sein werden.
Geld ist nun mal ein prima Mittel zum Interessenausgleich und zur Risikoübernahme, das man auch nutzen sollte. Vielleicht ist das in links-alternativen Berliner Kreisen nicht ultra-schick, aber von dort kommt selten tiefgreifendes, nachhaltiges was über Selbstausbeutung hinausgeht 😉
Wohl nicht zufällig hat sich mit Bitsundso ausgerechnet eine Münchner Podcaster zuerst an dieses Thema gewagt…