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Open-Source-Hardware?

Im Umfeld der seit einigen Jahren omnipräsenten ARM-Devboards wird oftmals von „Open Source“-Hardware gesprochen, weil einerseits Schaltpläne/Board-Layouts und andererseits Software offen gelegt und kostenfrei bereitgestellt wird. Aber natürlich sind viele (fast alle) IC-Bauteile und deren Fertigung weiterhin proprietär und voller Betriebsgeheimnisse. Das fängt beim Prozessor an, geht über die Grafikeinheit, Netzwerk-Interfaces bis zu solchen eigentlich trivialen Dingen wie USB-RS232/TTY-Chips (FTDI).

Selbst wenn man sich von „freier“ Hardware komplett verabschiedet und rein wirtschaftlich zumindest multiple Lieferanten für einzelne Bauteile als Grad der „Freiheit“ heranzieht, bleibt da wenig Spielraum: Am Ende läuft es auf Prozessoren entweder auf Basis von ARM, MIPS, PowerPC oder Intel „Intellectual Property“ hinaus. Hierfür müssen Lizenzen erworben werden bevor man überhaupt ans Design eigener System-on-a-Chip gehen kann. Die Referenzdesigns von ARM selbst sind jedenfalls nicht einfach „zum Produzieren lassen“ geeignet.

Das Ökosystem bei ARM sieht ungefähr so aus:

  1. Lizenzgeber-Mikroprozessor  (ARM vergibt und kassiert) 
  2. Lizenznehmer  (Apple, Broadcom, TI, Samsung, AllWinner, Rockchip…)
  3. Foundries/Auftragsfertiger  (TSMC, GlobalFoundries, UMC, SMIC,…)
  4. Nutzung/Vertrieb in Produkten von 2.) (iPhone…) oder als Grundlage für Produkte Dritter (Qualcomm, TI, AllWinner, Broadcom)

(Wer das noch ausführlicher und in schön möchte, kann es hier lesen)

Wobei je nach Lizenzstufe mehr oder weniger tiefe Einblicke/Referenzdesigns bereitgestellt werden bzw. diese für eigene Weiterentwicklungen genutzt werden können.

Deshalb verstehen zwar ARM-basierten Prozessoren die selben primären Befehlssätze, sind aber individuell aufgebaut, optimiert, integriert und um Zusatzfunktionen erweitert (beispielsweise Hardwarebeschleunigung für bestimmte Verschlüsselungsverfahren, Grafikberechnungen oder besonders energiesparend durch Untertaktung/Abschaltung von Teilen des Prozessors). ARM selbst könnte deshalb auch als Inhaberin der Architektur nicht einfach das nachbauen, was Apple oder Samsung auf dieser Grundlage machen.

Aber zurück zu Devboards:

Sind/waren die als erstes am Markt unter Beagle Board und Pandaboard gestarteten Entwicklerplatinen-Projekte von Texas Instruments „gesteuert“ (Mitarbeiter gründeten das gemeinnützige Projekt, Entwicklung und Produktion wurden subventioniert und Partner von TI beauftragt) so ist das auch beim Raspberry Pi der Fall. Ohne ARM (HQ in Cambridge), Broadcom (als ARM-Lizenznehmerin und SoC-Entwicklerin) und Farnell (mittlerweile zum US-Konzern Avnet gehörend, großer/größter(?) Bauteilevertrieb und auch selbst Platinenhersteller) läut da auch nichts.

Bei Raspberry Pi geht das sogar noch weiter: Es gibt eine kommerziell tätige Produktionsgesellschaft („Raspberry Pi Trading Ltd“), die ihre Gewinne der gemeinnützigen Raspberry Pi-Stiftung abführt. Sie vergibt die Produktionsaufträge und „Vertriebslizenzen“.

Was mich aber wirklich erstaunt: Der bei den Raspberry Pi 3 B/B+ verwendete Broadcom SoC ist für Dritte auch gegen Geld überhaupt nicht erhältlich. Broadcom bietet ihn nicht am Markt an, es gibt keine Datenblätter. Es handelt sich also um ein exklusives Design für die Raspberry Pi Foundation (oder deren Produktionsgesellschaft).

Damit unterscheidet sich das ganze sehr von Texas Instruments älterem Beagleboard-Projekt, das als Showcase für eigene OMAP bzw Sitara-AM335x-SoC diente und deren Absatz antreiben sollte. Auch die unzähligen Orange PI, Banana PI, Odroid, Hardkernel, Sonstwasdinger-Pi aus Asien basieren allesamt auf für Dritte erhältliche SoC-Produkte von AllWinner, Rockchip et cetera.

Letztlich sind also keine davon Open-Source-Hardware, einige sind aber „so frei“, als Grundlage für neue, eigene Projekte dienen zu können. Frei können sie wegen des kommerziellen Hintergrundes von ARM nicht sein, aber auch nicht wegen der geleisteten Arbeit der Lizenznehmer. Und auch die Foundries verfügen alle über Wissen, Erfahrung und Hardware um am Ende physisch etwas zu produzieren. Nichts davon ist vollständig frei zugänglich, austauschbar oder veränderbar.

Seit Jahren gibt es Bestrebungen, für die nicht patentierte RISC-Architektur einen Prozessor zu entwickeln und diesen als wirkliche Open-Source-Hardware bereitzustellen und auch der momentane Eigentümer der MIPS-Architektur ist wohl mangels wirtschaftlichem Erfolg mittlerweile bereit und Willens, noch 2019 die Architektur frei zugänglich zu machen. Doch am Ende braucht es trotzdem jemanden, der für Forschung, Arbeit und Produktion bezahlt wird. Die absoluten Kosten dafür sind noch immer enorm und sind nur mit Volumenprodukten zu rechtfertigen, was also zwangsläufig einen durch wenige „Player“ bestimmten Markt mit sich bringen wird.

Meinung

Gut, dass wir in Deutschland schon seit Jahren so abgehängt sind, dass sich für uns auch in Zukunft nichts ändern wird: Wir müssten Bezahlen und Einkaufen, was andere uns übrig lassen. So wie Apple seine ARM-SoC nicht an Dritte veräussert, so tut es auch Amazon nicht mehr. Die Bedeutung der gegen Geld für jeden lizenzierbaren ARM-Architektur wird massiv an Wert verlieren, wenn diese Großkonzerne in ein paar Jahren diese um eigene, wichtige Funktionalität erweitert haben und Dritte darauf überhaupt keinen Zugriff mehr bekommen. Aber in Deutschland werden weder Handys, Cloudserver noch AI-Cluster gebaut und betrieben, nur Diesel- und ABS-Steuerplatinen mit viel CAN-Bus 😈.

Intel, Cyrix, AMD, Freescale/Motorola und co hatten bisher immer das Ziel, möglichst viele Prozessoren zu verkaufen, die neue dominierende Internet-Elite möchte jedoch zurück ins frühe IBM-Zeitalter, in dem Kunden nur mieten konnten (mussten) und nie Herr über Hard- und Software waren – aber das ist für 99.99% der dt. Unternehmen eben auch nichts neues.

Wenn Altmaier jetzt unbedingt intervenieren möchte, um Deutsche Bank, Deutsche Braunkohle, Deutsche Bahn und Deutsches Auto zu retten, sollte er auch ruhig mal ein paar Milliarden für z.B. RISC-V ausgeben und damit ein Ökosystem aufbauen (Forschung/Hochschule – Privatwirtschaft), wie es in UK bereits seit über 50 Jahren der Fall ist (Sinclair/Acorn/ARM/Cambridge/…/Raspberry PI) und zwar dort ursprünglich co-finanziert durch die Rundfunkgebühren der BBC und deren Anspruch, Computer für alle zugänglich und verständlich zu machen (wie sie funktionieren, nicht wie man Serienbriefe in MS Word schreibt).

Ein Schelm wer die GEZ-Steuer und deren Verwendung (oder Resultate daraus) in unserer Zeit in Frage stellt oder sich wundert, warum in deutscher Politik und Medien dieser technologische Vorsprung Großbritanniens gerne verschwiegen wird.

Spassfakt zum Schluss:

Die durch den Dieselskandal bekannt gewordene Steuerplatine von Bosch trägt einen Motorola PowerPC-Chip (MPC556). Dieser Motorola-Geschäftsbereich gehört mittlerweile zu NXP, aber IBM kassiert für die PowerPC-Rechte natürlich weiterhin.

Must-Seen Videos zum Thema:

Sophie Wilson (born 1957) is a leading British computer scientist who has been named one of The 15 Most Important Women in Tech History.[6]. Wilson designed the Acorn Micro-Computer, the first of a long line of computers sold by Acorn Computers Ltd, including its programming language BBC BASIC.[7] Wilson later designed the instruction set of the ARM processor, which is used in most 21st-century smartphones. Wilson serves as a director at the technology conglomerate Broadcom Inc. In 2016, Wilson was appointed an honorary fellow of Selwyn College, Cambridge.

https://en.wikipedia.org/wiki/Sophie_Wilson

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Micro Men, Arbeitstitel Syntax Era, ist ein realiätsbezogenes BBC-Drama über den Aufstieg des britischen Heimcomputermarktes.

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