Viele haben es kommen sehen, auch ich: Weltbild hat Insolvenz angemeldet. Doch noch immer leugnen viele Mitarbeiter, Gewerkschaften und Partner das eigentliche Problem:
Ausnahmsweise trifft die Katholische Kirche keine unmittelbare Schuld an der Weltbild-Insolvenz. Natürlich haben sie jahrelang massive Fehler begangen und dafür jetzt die Quittung bekommen: Die Skandale um fragwürdige Bücher und Medien im Weltbild-Sortiment zeigt aber auch eindrucksvoll, dass Weltbild marktwirtschaftlich geführt wurde und nicht auf wirtschaftlich nachteilige „moralische“ Einschränkungen Rücksicht genommen hat.
Wenn also sämtliche Ramschbuchhandlungen, wie eben Weltbild, mit „50 Shades of Grey“ viel Geld verdient haben, so ist zumindest eine Einflussnahme der Kirche nicht der primäre Grund für das Scheitern dieses Unternehmens.
Unschuldig ist die Kirche natürlich auch nicht: Es war viel früher ersichtlich, dass Weltbild die moralischen Anforderungen des Haupteigentümers nicht mehr erfüllen kann bzw damit ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb nicht möglich ist. Unklugerweise hat man dies schon sehr früh öffentlich gemacht und damit vermutlich jede Chance auf einen lukrativen Verkauf zerstört. Für potentielle Käufer war die Sondersituation klar und somit auch die Bereitschaft gering, einen hohen Preis für Weltbild hinzulegen.
So blieb alles wie beim alten und das Problem nahm seinen Lauf mit der uns heute ersichtlichen Konsequenz.
Schaut man sich den HR-Werbespot von Weltbild auf YouTube an oder diverse Äusserungen des DBH-Mitgesellschafters Hugendubel über den Online-Handel, so wird einem eigentlich sehr schnell klar, wo das Problem besteht:
Sie haben überhaupt keine Ahnung von E-Commerce.
Letztlich hat Weltbild eine Standard-E-Commerce-Software von Hybris, heute eine SAP-Tochter, beschafft und diese leidlich angepasst. Damit lässt sich aber heute kein Blumentopf mehr gewinnen: Sämtliche Marktführer im internationalen E-Commerce-Geschäft können es sich nicht mehr leisten, auf Standardsoftware zu setzen. Es führt kein Weg an einer eigenen Entwicklung vorbei um neue Vertriebskonzepte schnell umzusetzen, die dadurch erst erreichbare Flexibilität zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Dazu braucht man viel Geld und viele erfahrene Leute. Die kriegt man sicher nicht von einer Augsburger Provinz-Hochschule sondern muss zumindest ein Kernteam von renommierten E-Commerce-Unternehmen abwerben (Amazon, eBay, …). Weiterhin muss das passende Management hierfür eingekauft werden: Leute die wissen, wie man Software und Technologieprojekte plant, leitet und weiterentwickelt.
Das wollte und konnte Weltbild sich nie leisten.
Richtig absurd wird es bei Hugendubel, dem Partner bei der DBH: Die Miteigentümerin Nina Hugendubel betet schon seit einiger Zeit in jedem Interview eine Geschichte herunter, wie stark Hugendubel doch auf E-Commerce und Digitale Produkte setzen würde und faselt etwas von Wachstum in dreistelligen Prozentbereichen. Das ist natürlich Unfug: Man setzt für Hugendubel.de lediglich auf den schlechten Online-Shop von Weltbild.de — Mit der Insolvenz und vermutlichen Abwicklung von Weltbild dürfte der Shop dann auch abgängig werden.
Die Hugendubel-Erben hatten vor einigen Jahren wohl gehofft, dem technologischen Wettbewerb durch einen „Garantie-Deal“ mit der Kirche zu entkommen. Das ging schief. Jetzt werden sie in kürzester Zeit ohne Partner dastehen und, sofern sie es überhaupt schaffen, viel Geld in die Hand nehmen müssen um ihre Filialen aus der DBH vom Insolvenzverwalter herauszukaufen.
Wahrscheinlich werden sie dafür sogar noch eine Finanzierung bekommen, aus politischen Gründen gibt es sicher einige Sparkassen oder Landesbanken die Geld leihen werden. Doch diese Hypothek wird das Ende von Hugendubel nur noch blutiger machen.
Streng genommen braucht man heute nur noch drei Dinge:
– Hochflexible in-house E-Commerce-IT für Neuwaren und Gebrauchtwarenhandel (vgl Amazon Marketplace)
– Generische Logistik für sämtlichen Mailorderprodukte (Amazon, DHL, Arvato)
– Automatisches Aufspüren von unterversorgten oder rückständigen Märkten (geographisch wie auch thematisch) und rascher, umfassender Markteintritt.
Es ist vollkommen egal, ob man dann am Ende Bücher, Möbel, Schuhe, Klamotten oder Lebensmittel verkauft. Alle Produkte haben zwar ihre mehr oder weniger komplexen Eigenschaften (Lebensmittel, Sehhilfen, Möbel) oder Retourenquoten (Schuhe, Klamotten), dies ist aber kalkulierbar und lösbar.
Für Hugendubel bleibt m.M.n. nur noch der Betrieb einer Hand voll Filialen in München bzw Bayern übrig: Dort wo man langjähriger Mieter oder gar Immobilien-Eigentümer ist und noch immer eine mehr oder weniger treue Kundschaft hat.
Der Online-Markt ist verloren und war es vor fünf Jahren schon.