Wie manche vielleicht mitbekommen haben, gab es im Umfeld der Piratenpartei mal wieder ein neues Gate. Vermutlich eine Berliner Piratenpartei-Aktivistin hat sich „Oben Ohne“ mit dem Spruch „Thanks Bomber Harris“ in Dresden fotografieren lassen. Hierbei trug sie einerseits typische Femen-Zeichen, andererseits hatte sie ihr Gesicht vermummt.
Eine Berliner Boulevardzeitung ging darauf ab und es entwickelte sich im Umfeld der Piratenpartei ein großer Streit, bei dem persönliche Anfeindungen und Kleinkriege stattfanden.
Natürlich war das Foto und der Spruch unangebracht und kann wohl nur dazu gedient haben, Neo-Nazis/Geschichtsleugner zu provozieren. Zwar mag es durchaus begründete Einschätzungen geben, dass Flächenbombardements auf dt. Großstädte sachlich nicht sinnvoll waren und auch nicht zu einer „Schwächung der Moral“ geführt haben. Trotzdem geschahen diese im Zusammenhang des von Deutschland begonnenen Weltkrieges und der „Verbrannten Erde“-Politik der dt. Wehrmacht und auf den V1/V2-Raketenbeschuss der Zivilbevölkerung Englands.
Es ist müßig und nicht sinnvoll, in solch einem oberflächlichen Umfeld über Schuld oder Opferzahlen diverser Kriegsparteien zu diskutieren. Ebensowenig wie über die s.g. Heimatvertriebenen aus Ostpreussen und dem Sudetenland. Die zivilen Opfer auf deutscher Seite sind einzig und alleine dadurch begründet, dass ein Weltkrieg von Deutschland begonnen wurde, bei dem keine Greueltat ausgespart wurde.
Es ist aber auch pietätlos und absolut kindisch, sich Oben Ohne mit „Thanks Bomber Harris“ abfotografieren zu lassen. Egal wie edel die Absichten und das Umfeld auch waren, schliesslich gibt es in Dresden jährlich Naziaufmärsche die „eine Schuldumkehr“ zu vermitteln versuchen.
Ich versuche mich in Menschen hineinzuversetzen, die nicht der Neonazi und nicht der Antifa-Szene angehören. Die schütteln den Kopf über kahlrasierte, brüllende Fackelmarsch-Teilnehmer ebenso, wie über (vermutlich) Anne Helm.
Die Kritiker wie auch die Sympathisanten Anne Helms haben sich ziemlich zum Obst gemacht, dabei wäre es vermutlich recht einfach zu lösen gewesen:
1. Der Spruch ist im Kontext des Widerstandes gegen einen Neonazi-Gedenkmarsch weniger blöd, als unkommentiert mit nackten Brüsten in einer Boulevardzeitung. Die vermutliche Teilnehmerin hätte also sagen können, warum sie das getan hat und in welchem Zusammenhang. Bonuspunkte dafür, dass es nicht unbedingt hilfreich ist, dafür seinen nackten Körper zu benutzen, egal wie gut man gebaut ist.
2. Ein Spruch auf blanker Brust mag zwar nicht besonders schlau sein, aber das ist für sich genommen auch kein Grund, politische Konsequenzen zu ziehen. Erstrecht nicht in der Piratenpartei. Etwas Selbstkritik und/oder die unter 1. gelieferte Klarstellung (nicht: Dementi/Rumgedruckse) hätten erlaubt, die Debatte weiterhin unter Kontrolle zu halten und diese selbst und positiv zu beeinflussen. Zu seinen Aktionen stehen und durchaus auch etwas Selbstkritik üben sind m.E. ein Zeichen geistiger Reife und eine Charakterstärke.
3. Die andere Dame, die ganz offensichtlich schon in Berlin bei einer Femen-Aktion beteiligt war und hierbei einen Brandsatz ziemlich unfachmännisch gegen den russischen Botschaftszaun geschmissen hat, muss dafür gerade stehen. Diese Aktion ist m.E. nicht einfach entschuldbar und muss von der Staatsanwaltschaft auch verfolgt werden. Widerstand bedeutet nicht automatisch die Erlaubnis, jedes Mittel einzusetzen, das man glaubt zu haben, insbesondere dann nicht, wenn nicht unmittelbar eine Gefährdung besteht. Klar kann man jetzt sagen, dass in Russland Leute zu unrecht weggesperrt bzw. verfolgt werden, aber dies rechtfertigt nicht das Begehen einer Straftat in Deutschland. Mal davon abgesehen, dass das zur Schau stellen des eigenen Körpers wirklich nur das allerletzte Mittel sein kann um ein Thema in die Öffentlichkeit zu bringen und dies bisher auch noch nie länger als für ein paar Tage geklappt hat.
Letztlich muss man davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht (mehr) betroffen ist und keine abschliessende Meinung dazu hat, also offen für neue Argumente und Diskussionen ist. Diese müssen sachlich und zielführend sein, für die schnelle Befriedigung und das Ergötzen über die „Scheisspolitik“ gibt es immerhin schon dutzende Polit-Talkshows.
Am Ende gibt es sonst keine Gewinner, ausser womöglich die Nazis, die sich über das Elend ihrer Feinde lustig machen können…