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Über Insourcing, Outsourcing und IT-Dienstleister in öffentlicher Hand

Ein Abgeordneter der Piratenpartei in Berlin, namens Dr. Weiss, stört sich daran, dass  ein Amt der Stadt Berlin einen externen Hosting-Anbieter für eine Datenbank beauftragt hat. Auf Nachfrage bekräftigt er, dass solche Dienste in die Hand des städtischen IT-Dienstleisters IDTZ gehörten.

Simon Weiß (pfadintegral) auf Twitter

Ich widerspreche dieser Aussage.

Eine Einführung mit ein paar Anekdoten aus meinem beruflichen Alltag.

Die drei typischen IT-Szenarien:

1. Einige meiner Kunden sind schlecht organisiert, unerfahren und unterbesetzt. Diese Kunden haben weder die Kompetenz das Problem zu erfassen noch eine Lösung zu definieren und deren Umsetzung zu kontrollieren. Einige Leser denken jetzt sicher „Jackpot!“ — Doch leider ist das Gegenteil der Fall: Chaos erzeugt größeres Chaos, unklare Ziele erzeugen Frust und Enttäuschung bei allen Beteiligten.

Regelmäßig versuche ich daher solche Kunden zu coachen und, obwohl ich beispielsweise „nur“ als Entwickler im Projekt tätig bin, auch strukturell oder planerisch eine belastbare Grundlage für eine Zusammenarbeit zu schaffen. Leider liegt auch hier die Erfolgsquote bei höchstens ca. 50%.

Unter Freiberuflern recht bekannt ist daher folgende Aussage: Kunden kann man nicht „erziehen“, wenn sie noch keinen Schmerz spüren.

2. Als Gegenbeispiel kann ich aber auch Konzerne aufführen, deren interne Ressourcen zwar so unflexibel sind, dass agile, moderne Entwicklungen hier nicht möglich sind. Das liegt oft auch an Rationalisierung und der Budgetpolitk des Konzerns, dessen Ziel „der kostengünstige Betrieb der Dienste“ ist, nicht deren innovative Weiterentwicklung.

Hier entscheidet sich dann der Kunde aber im Einzelfall (gezwungenermaßen) sehr bewusst dafür, den Auftrag extern zu vergeben, durchaus unter Beobachtung durch die interne IT-Abteilung. Somit ist sichergestellt, dass die Lösung unabhängig von internen Sachzwängen überhaupt umgesetzt werden kann, die Entscheidungsfähigkeit des Auftraggebers aber jederzeit gewährleistet bleibt. (wenn es richtig gemacht wird…)

Beispiel: Ein Versicherungskonzern hat seit 50 Jahren EDV um Policen, Schadensabwicklung etc. zu erfassen. Für den Internet-Direktvertrieb wird aber ein externes Unternehmen mit der Umsetzung beauftragt, da die interne IT hier keine Kompetenz hat und ein Aufbau mit festen Mitarbeitern „von 0 auf“ mehrere Jahre und eine sehr hohe Summe kosten würde, ohne dass am Ende davon auszugehen ist, marktübliche und moderne Lösungen umsetzen zu können. Wer kann schon 3-5 Jahre in die Zukunft sehen?

3. Dann gibt es noch den schlechtesten Weg: Große Organisationen die alle Teile des Unternehmens/der Behörde dazu zwingen wollen, bei der internen IT-Abteilung Services einzukaufen, auch wenn klar ist, dass diese weder zeitnah noch zu marktüblichen Kosten erbracht werden können.

Hier wird es dann richtig übel, wenn Systeme unter „falschem Namen“ oder im „Graubereich“ der eigenen Infrastruktur betrieben werden. Das ist sehr gefährlich, kommt aber doch häufig in großen Unternehmen vor: Mitarbeiter sehen keinen anderen Weg ein Ziel zu erreichen, ausser die internen Ressourcen zu ignorieren und ggf. sogar Anweisungen zu übergehen mit der Hoffnung durch „Der Zweck heiligt die Mittel“ später eine akzeptierte Lösung zu schaffen.

Beispiel: „Evaluierungssystem für Mobilanwendung“  (Unternehmensrelevante Projektmanagement-Anwendung auf Abteilungsebene an den Vorgaben der internen IT vorbei)

In der Verwaltung

Kommunale/öffentliche IT-Dienstleister sind aus eigener Erfahrung wenig kompetitiv, was auch an der extrem schlechten Bezahlung liegt, die per Gesetz vorgegeben ist (TVöD). Weiterhin werden Führungspositionen „politisch“ besetzt,also durch vollkommen fachfremde Abteilungsleiter, Stadtratsmitglieder o.ä. — durch diese „Bozo Explosion“ siegt zwangsläufig Politik und Klüngel über Kompetenz.

Es ist also quasi ausgeschlossen, fähiges Personal zu finden, geschweige denn, es längerfristig halten zu können: Wer verzichtet schon freiwillig auf 25-50% seines am Markt erzielbaren Gehaltes nur um für einen öffentlichen Arbeitgeber zu arbeiten, fast immer in einem befristeten Angestelltenverhältnis und ohne Chance auf bspw. Verbeamtung? Die Benefits sind sehr gering, vielleicht einen schnelleren Zugang zur städtischen Kinderbetreuung…

Das spricht sicherlich nicht motivierte, gut ausgebildete und innovationsfreudige Mitarbeiter an, sondern eher das Gegenteil. Und dementsprechend teuer, aufwendig und riskant sind dann „flexible Lösungen“, also Dienste, die nicht alltäglich sind. Wie beispielsweise eine Datenbank, die so nicht einfach mal vom städtischen IT-Dienstleister erbracht werden kann.

Dieses Problem ist ein grundsätzliches und findet sich in nahezu allen kommunalen Betrieben, allen öffentlichen Einrichtungen und Bundesbehörden. Aber eben auch in der freien Wirtschaft insbesondere dort, wo IT primär aus „Server am Laufen halten“ besteht und keine in-house Entwicklung mehr stattfindet. Dies dürfte weit über 90% der deutschen Unternehmen ausmachen, die auf Standardsoftware setzen oder bereits die IT vollständig outgesourced oder die IT-Abteilung auf eine Hand voll Fachinformatiker-Admins reduziert haben.

IMHO

Der Staat/die Kommune muss die Zügel m.M.n jederzeit in der Hand halten, aber nicht selbst einen Pferdehof betreiben. „Datenbanken24″ ist in diesem Falle also der Pferdehof-Anbieter, wenn der Gaul nicht zuverlässig ist, das (hoffentlich definierte) SLA nicht eingehalten wird, dann fährt morgen eben ein anderer die Datenbank.

Bei sensiblen Datenbanken mag die Situation zwar anders aussehen, das ändert jedoch leider nichts an der nicht vorhandenen Kompetenz und den inhärenten Problemen städtischer IT-Dienstleister und der IT-Branche in Deutschland.

Es wäre sehr schön die Gründe für das Outsourcing o.g. Datenbank zu erfahren. War es intern zu teuer? War es intern nicht möglich mangels Personal, Lizenzen oder Server? Oder… ?

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