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Der CCC und die Deutsche Seuche des totalen Perfektionismus

Das Problem des CCC ist exemplarisch für die IT in Deutschland. Der Chaos Computerclub ist seit Jahren bekannt durch seine gut besuchten Jahresabschluss-Veranstaltungen, Camps und anderen Events. Nerds, Möchtegern-Nerds und interessierte, meist junge Leute, besuchen die Veranstaltungen des Vereins in großer Zahl und verbringen eine schöne Zeit miteinander.

apple-berlin

Einzelne Projekte aus dem Dunstkreis des CCC sind durchaus sehr innovativ, anspruchsvoll und nichts anderes als beeindruckend. Einen großen Nutzerkreis ausserhalb der CCC-Filterbubble werden diese Projekte nur selten bekannt.

Ansonsten leidet auch der CCC unter der deutschen Seuche, insbesondere dann, wenn es um IT-Sicherheit geht:

Einerseits ist es zwar angebracht, als sich mit IT-Sicherheit beschäftigende Personengruppe eine gewisse Paranoia zu leben: Alles was technisch möglich ist, wird irgendwann auch umgesetzt oder probiert umzusetzen. Mit dem NSA-Dilemma hat man dies nachdrücklich bestätigt bekommen.

Andererseits kann es nie eine 100%-ige Sicherheit geben. IT soll unsere Gesellschaft weiterbringen, das Leben vereinfachen, für wirtschaftlichen und sozialen Reichtum sorgen. Das geht nur durch iterative Innovation, also „Trial & Error“. Natürlich ist es besser, wenn man Anfängerfehler vermeidet und nicht regelmäßig erneut die selben Fehler macht. Man muss schliesslich aus Fehlern lernen.

Leider hört man vom CCC gerade in diesem Bereich oft sehr viel Häme und wenig konstruktive Kritik, als jüngste Beispielen kann man hier die Messenger-App whistle.fm nennen oder die Fingerabdruck-Sensorik TouchID des iPhone 5s.

Wie gesagt, absolute Sicherheit kann es nie geben und selbst das, was wir als ausreichend sicher betrachten, ist sehr schwer und komplex. Natürlich unterlaufen hier gefühlten 90% aller Entwicklern Fehler, die möglicherweise die ganze Sicherheit eines Systems gefährden.

Das ist aber nichts neues und seit Anbeginn der populären IT ein sich wiederholendes Problem. Der konstruktive Umgang wäre hier also die Mitarbeit an Leitfäden, Anleitungen und verständlichen Analysen, sodass Otto-Normal-Nutzer verständlich und praxisnah die Problematik begreifen kann — und daraus seine Schlüsse zieht. Oder das eigene Entwickeln praxistauglicher(!) Software und Konzepten, die Probleme löst.

Ebenso muss man den Entwicklern gegenüber positiv gegenüberstehen und auch hier für eine Weiterbildung sorgen. Schmähkritik, auch wenn die Fehler drastisch und anfängerhaft erscheinen, hilft nicht, die Zukunft besser zu machen.

Es ist weiterhin eine typisch deutsche Denkweise, die ich gerne als „deutsche Seuche“ bezeichne, alles abzulehnen, was nicht 100%-ig ist — und zwar im ersten Anlauf. Diese typische „Alles oder Nichts“-Denkweise ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, vermutlich noch aus Kaiserzeiten. Anstatt hier durch Akzeptanz einer offenen Zahl von Zwischenschritten und Kompromissen ans Ziel zu kommen, wird es erst gar nicht probiert oder schon zu Beginn sofort niedergemacht (Fefe lässt grüßen!). Oder eben nie umgesetzt.

Mit dieser selbstgefälligen Art kann man zwar am Ende von der Kritikerempore herunterrufen „Ich habe es kommen sehen!“ — aber man wird immer Zuschauer und Kritiker bleiben und die Zukunft nicht aktiv mitgestalten.

Wenn also Apple ein Fingerprint-Sensor einbaut und dafür sorgt, dass vermutlich 95% der iPhone-Nutzer zukünftig zumindest *eine* Sicherheitsvorkehrung nutzen statt keiner, ist es ein Fortschritt. Niemand hat gesagt, dass ein Fingerprint unknackbar sei. Aber es ist ein Fortschritt gegenüber gar keiner Sicherheitslösung oder eines sehr schwachen 4-stelligen Passworts oder eine Geste (wie bei Android), die man mittels Schmierfilm auch sehr einfach knacken kann.

Es geht um den bestmöglichen Kompromiss zwischen Sicherheit und Nutzbarkeit.

Wie viel Innovation gibt es denn aus Deutschland, aus dem Kreise des CCC? Keine wahrnehmbare, nutzbare, attraktive? Warum? Weil die eigenen Maßstäbe unerreichbar hoch sind? Lieber Lethargie statt Innovation? Warum?

Ist es so schwer, Sachen auszuprobieren und iterativ zu verbessern? 

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