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Die Dämonisierung Anton Schleckers

Am gestrigen Montag fand die Urteilsverkündigung im „Schlecker-Prozess“ statt, Anton Schlecker und seine Kinder wurden verurteilt, teilweise auch zu Haftstrafen.

Die Berichterstattung darüber empfand ich allerdings als skandalös und niederträchtig. Insbesondere Ver.di, die SED/Linkspartei und Der Spiegel suggerierten in ihrer Berichterstattung, in Tweets und Pressemitteilungen, dass Anton Schlecker und seine Kinder dafür verantwortlich wären, dass 25.000 Geringqualifizierte ohne ohne Job dastünden — und jetzt deshalb (natürlich viel zu gering…) bestraft worden wären.

Das ist natürlich vollkommener Blödsinn. Schlecker selbst war Unternehmer ohne Haftungsbegrenzung, er hat mit teils fragwürdigen Methoden ein Imperium aufgebaut, dass wirtschaftlich nicht überleben konnte. Kein anderer Einzelhändler hat sich solche unrentablen Filialen ans Bein gebunden, so schwach frequentierte Standorte überhaupt angeschaut.

Schlecker hat das Unmögliche versucht:

Auf Kosten der Lieferanten, die ihm die Waren auf Kommission geliefert haben und mit extrem geringen Betriebskosten einen Mini-Profit pro Laden zu erzielen und das ganze dann tausendfach zu skalieren. Aber es ging wirtschaftlich nicht auf. Er ist gescheitert und er hat sein Vermögen und sein Gesicht verloren, der Name „Schlecker“ ist für immer verbrannt, er wird sich damit nirgends mehr sehen lassen können. Absichtlich hat er das also nicht gemacht, sondern aus Unternehmergeist, Hybris, getrieben zu sein, ein Imperium aufzubauen und um damit Geld zu verdienen. Ein Imperium mit seinem Namen.

Er hat Menschen und Immobilienbesitzern eine Beschäftigung und ein Mietverhältnis angeboten, was am Ende rational-wirtschaftlich nicht mehr darstellbar war. Weil er der Einzige war, sind die Partner darauf eingegangen. Schlecker hat in den letzten Jahren Tariflohn inkl. Weihnachtsgeld bezahlt und weder Steuern noch Sozialabgaben verkürzt.

Erst als das ganze wirtschaftlich akut anfing zu „brennen“, versuchte jeder seine Kohlen aus dem Feuer zu ziehen um möglichst wenig Verluste zu erleiden.

Dank Insolvenzgeld wurden die Mitarbeiter schadfrei gehalten (auf Kosten der Steuerzahler), die größten Verlierer sind Lieferanten und die vielen Vermieter von Ladenlokalen, die neben dem monetären Verlust (Mietausfall) vermutlich niemals wieder einen gewerblichen Mieter sehen werden (dafür kann Schlecker nichts).

All das war, wie auch schon die Finanzsituation der jüngst kollabierten Air Berlin, lange Jahre Aussenstehenden Branchenkennern bekannt und ein offenes Geheimnis: Niemand kann aus dem Nichts Profite zaubern oder Verluste ausgleichen, insbesondere nicht aus einem einfachen und phantasielosen, margenschwachen, personalintensiven Geschäftsmodell wie dem Drogerie-Einzelhandel.

Warum wurden er und seine Kinder nun verurteilt? Das steht hier.

Ein Unternehmer hat die Pflicht, sofern das unabwendbare Scheitern der Unternehmung absehbar ist, so früh wie möglich weiteren Schaden für Dritte abzuwenden, er darf seine eigenen Interessen nicht vor Gläubigerinteressen stellen. Da Anton Schlecker ohne Haftungsbegrenzung als eingetragener Kaufmann tätig war, haftet er bei der Insolvenz mit seinem vollen Privatvermögen. Als er die ausweglose Situation erkannte, wollte er vermutlich zumindest ein verbleibende Vermögensgüter sichern und spannte deshalb seine Familie ein und unternahm unsaubere Geschäfte um zumindest etwas Geld abzuzweigen, für die nun die Beteiligten verurteilt wurden.

Hätte er sein Unternehmen als GmbH aufgebaut und sich übliche Gehälter ausbezahlt, so wäre er persönlich nicht haftbar gewesen (ausser er hätte auch am Schluss „in die Kasse gelangt“).

Ja, es handelt sich also schon um Straftaten die verfolgt und bestraft werden müssen.

Nein, die paar Millionen, die versucht wurden der Insolvenzmasse vorzuenthalten sind weder am Scheitern der Unternehmung schuld, noch stellen sie eine große Summe im Verhältnis zum Gesamtschaden dar.

Schlecker ist insofern nicht für das persönliche Elend seiner ex-Mitarbeiter verantwortlich: Wären reine Mangagementfehler von Schlecker die Ursache des Untergangs gewesen, hätte sich ein Konkurrent oder Investor die Filetstücke aus der Insolvenzmasse geschnappt und Mitarbeiter dankend übernommen. Das fand nicht statt. Fast alle Geschäfte wurde abgewickelt und das Personal freigestellt. Es gab schlicht keine darstellbare (=erfolgsversprechende) Möglichkeit, Mitarbeiter zu halten und Filialen weiterzubetreiben, auch nicht nach einer Entschuldung (= z.B. Übernahme aus der Insolvenz).

Unternehmen funktionieren in einer Marktwirtschaft nur, indem sie ein Produkt oder eine Dienstleistung herstellen und/oder vertreiben, die allgemein einen kostendeckenden Mehrwert realisiert. Ein Schlecker-Markt in einem 1000 Einwohner-Dorf mit 20€ Umsatz am Tag tut dies nicht, auch wenn jeder Einwohner „unbedingt Geschäfte des Alltags“ am Ort haben möchte, so passen die Umsätze nicht zu den Aussagen („werde regelmäßig Nutzen…“) und den Kosten. Das ist ein typisches Symptom, sobald es um das Beisteuern eigener Mittel geht, also „skin in the game“ haben oder „put your money where your mouth is“: Da sind die Leute schnell ruhig und verschwunden. Bezahlen will niemand.

Statt also Schlecker zu jagen und sich an der Verurteilung aufzugeilen, wären die Ursachen zu klären:

  • Warum finden/fanden die Schlecker-Frauen keinen ordentlichen Job abseits von Schlecker?
  • Warum haben sie nichts gelernt oder sich nicht weitergebildet?
  • Warum traf es gerade viele Hausfrauen/Mütter?
  • Welche Angebote zur Weiterbildung/Qualifikation gibt es?
  • Welche Möglichkeiten zur Revitalisierung des Einzelhandels auf dem Land gibt es z.B. durch Lieferdienste?
  • Welche alternativen Beschäftigungsformen auf regionaler Ebene gibt es?
  • Würde eine gesetzlich definierte Remote-Working/Home-Office-Kultur hier helfen?

Das sind nur einige mir spontan eingefallenen Fragen, die sich die betroffenen Bürger, die Beschäftigten, die Politiker und insbesondere die Gewerkschaften hätten stellen müssen, aber es bis heute nicht getan haben. Hauptsache man findet einen Sündenbock, auf dem man alles projizieren und dann abschliessen kann: Der letzte Vorstandsvorsitzende/CEO von AirBerlin, Jeff Bezos von Amazon oder die Vorstandsetage von Siemens. Damit muss man selbst nichts tun, trägt keinerlei moralische Mitschuld und muss auch nicht die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens inkl. eigenem Versagen öffentlich eingestehen.

Zeiten ändern sich, Einkaufsgewohnheiten ändern sich, Geschäftsmodelle ändern sich, Konsumgewohnheiten ändert sich: Amazon braucht Leute zum Verpacken und keine Einzelhandelstariflohnmitarbeiter im Verkauf – egal wie lange Verdi noch demonstrieren möchte.

Immer sind in Deutschland die Unternehmen schuld, so gut wie nie hat ein Mitarbeiter jemals die frei zugängliche Bilanz gelesen oder sich gefragt, wie sein Gehalt finanziert wird, wenn er nicht mal so viel Monatsumsatz zustande bringt. Oder zukünftige Entwicklungen am Arbeitsmarkt versucht, zu eigenem Vorteil vorwegzunehmen.

Dass Säen dieser „Denke“ ist extrem gefährlich und populistisch. Ob Verdi/Linke/SPD oder AfD – beide Gruppen leben von Verlierern, die keine andere Wahl zu haben scheinen, als eben diese. „Schau, alle waren schlecht zu Dir, aber wir von $X sind die einzigen, die sich für die Rechte von … einsetzen“. Je mehr Leute also verlieren und so „gewonnen“ werden können, desto besser. Je mehr Mitglieder desto mehr Mitgliedsbeiträge und desto „wichtiger“ wird man auf Lobbyebene.

Das ist und bleibt Rattenfängerei!

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