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Wissenschaftskommunikation ist PR um Steuergeld

In deutschsprachigen Medien kann man insbesondere bei Wirtschafts- und Technologiethemen ziemlich genau sehen, wie gut Lobbyverbände oder Konzerne über ihre PR-Abteilungen die Journalisten mit Material versorgen. Komplizierte Zusammenhänge werden druckreif und einfach erklärt. Ist man selbst vom Fach, erkennt man an einzelnen Keywords oder Formulierungen die gelungene Übernahme. (In der Politik ist man das schon lange gewöhnt).

Aber auch bei der Wissenschaft ist das so: Denn die verlangten Milliarden aus den Staatshaushalten müssen auch begründet bzw. „dem Volke verkauft“ werden. Interessanterweise ist das in den USA gefühlt intensiver, wenn man sich z.B. die intensive Öffentlichkeitsarbeit der NASA inkl. Textil/Fanshop anschaut. Dagegen hat Forschungs-Europa neben dem CERN nicht so arg viel zu bieten und am Ende bleibt oft wenig konkretes für die Allgemeinheit über: Durchbrüche der Wissenschaft und ihren Nutzen für die Gesellschaft (und Wirtschaft) werden üblicherweise in den USA erzielt – was sich auch z.B. an der Nobelpreis-Vergabe der letzten 50 Jahre zeigt – und meist auch dort erfolgreich kommerzialisiert.

Nun wurde gestern vom EHT-Telekskopverbund-Projekt „das erste Bild eines schwarzen Loches“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Exzellent koordiniert und über den Globus verteilt wurden Vertreter der Presse eingeladen und mit Bild- und Animationsmaterial sowie kompetenten, lokalen Wissenschafts-Ansprechpartnern (in dem Falle sind es Lobbyvertretern) versorgt – Das Material zusammen mit „Experten“ füllte die Startseite bei Spiegel Online und schaffte es auch zu einem Tagesschau-Beitrag.

Natürlich gibt es etwas interessantes zu zeigen, aber viel wichtiger ist es für die beteiligten Wissenschaftseinrichtungen die Stimmung in der Öffentlichkeit positiv zu beeinflussen um dann – in diesem Falle – weitere Mittel für den Betrieb des EHT (Event Horizon Telescope-Verbundes) zu erhalten und die Arbeit fortsetzen zu können. Schliesslich sind alle Mittel begrenzt und der Bedarf muss begründet/gerechtfertigt werden. Ein positives Forschungsergebnis, also ein „Durchbruch“ irgend einer Art, ist eines der besten Argumente hierfür – auch wenn „das Foto“ bereits im April 2017 zustande kam. Deshalb wurde die Veranstaltung „weltweit verteilt“ und exzellent getimed von den Trägern des Projektes durchgeführt.

Oder um es mit den Worten der EHT-Presseabteilung zu zitieren:

The images will become available once the EHT collaboration is confident that the data is fully calibrated and that all procedures have been robustly tested. With the data collected in April 2017, the exciting task of processing and analyzing these data is underway within a number of focused working groups. EHT members are actively working on understanding instrumental effects and formatting the output for imaging and science analyses that will look for the black hole „silhouette“. Each of these working groups is vitally important for ultimately reaching the EHT science goals….

https://eventhorizontelescope.org/faq

Ich konnte erstaunlicherweise weder genaue Informationen über den Beginn des EHT-Projektes finden noch über den Finanzierungsrahmen/Laufzeit. Vielleicht geht es bald wieder um Gelder für weitere 5 Jahre?

Politikern wird es einfacher fallen, sich für eine diesbezügliche Förderung einzusetzen. „Wir erinnern uns doch gerne zurück an die beeindruckenden Bilder“ und so weiter. Und im Gegensatz zu vielen anderen verschwendeten Geldern (Stichwort: Fraunhofer-Gesellschaft) scheint hier zumindest für den Augenblick etwas sinnvolles angestellt worden zu sein.

Als Gegenbeispiel kann man den aktuellen Zustand der 100% aus Steuermitteln finanzierten europäischen Raumfahrt anführen: Keine bemannte Mission absehbar, Ariane wirtschaftlich am Ende, Galileo ein sehr teurer „me too“-Dienst der gegenüber einer weiteren Mitnutzung von US-GPS, RU-Glonass, CN-Baidu für normale Nutzer kaum Vorteile bringt (im Alltag dürfte die häufigste GNSS-gestützte Anwendung die Navigation im Auto oder Smartphone sein. In Fahrzeug verbaute GNSS-Empfänger haben im freien „immer“ ausreichend Empfang für einen schnellen Fix (TTFF) und Smartphones wären ohne Mobilfunk-Unterstützung mittels AGPS hoffnungslos. Und mit AGPS spielt die Anzahl an verfügbaren Satelliten auch keine besonders große Rolle mehr. Eine theoretisch (weil oft chiptechnisch beschränkt) höhere Genauigkeit spielt in der Praxis nur sehr selten eine Rolle.

Bildergebnis für galileo meme

Das ESA-Budget beträgt pro Jahr ca. 5,6 Milliarden Euro. Der Aufbau von Galileo kostete einmalig über 7 Milliarden Euro, Zahlen über den Betrieb und die irgendwann erforderliche laufende Satelliten-Erneuerung ist mir 3 Mrd. veranschlagt (Planung auf 10 Jahre). Das DLR-Budget liegt auch bei ca. 3 Milliarden Euro – pro Jahr.

Ist das viel Geld? Ja und nein. SpaceX führt mit vergleichsweise geringen staatlichen Mitteln die ESA und Roskosmos vor, kann sich aber auf Launch-Infrastruktur und staatliche Aufträge verlassen – aber letztere hat die ESA auch zusätzlich zum Budget sicher.

Die Mittelverwendung bei uns in Deutschland ist aber auch sehr seltsam: Knappe 9 Milliarden Jahresbudget für den ÖR-Rundfunk entziehen den Menschen unfreiwillig Kaufkraft und verhindert Steuereinnahmen durch bspw. einen noch stärkeren, kostendeckenden kommerziellen Rundfunk – und damit auch den Spielraum für ernsthafte Wissenschaftsprojekte und an die Qualität der BBC kommt man trotzdem nicht heran.

Mal schauen wie lange wir mit „Wir sind zwar nicht zum Mars unterwegs, aber wenigstens gibt es bei uns kein Fox-News“ noch „gut und gerne“ in Deutschland leben können. Am Ende zählen die Resultate.

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