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Wie man durch einen Kult die eigene Wirtschaft aufbaut (1 von 2)

Deutschland 1945. Entgegen vieler Überlieferungen sind viele Industrieanlagen nicht zerstört. Währen die Rote Armee in Ostdeutschland relativ viele Anlagen und Infrastrukturen zur Reparationen in die Sowjetunion bringen lässt, bleibt Westdeutschland relativ verschon. Ob Giftgas- oder Panzerfabrik – die Besatzungsmächte wollen das Land nicht untergehen lassen und geben nach der Demilitarisierung die Industriebetriebe zurück.

Aus IG Farben wurden wieder einzelne Gesellschaften wie Bayer, BASF, Hoechst – aus dem Rüstungsproduzenten Daimler mit 33.000 Zwangsarbeitern wieder ein ziviler Autobauer, ebenso wie aus Volkswagen. Hier hatte man mit 20.000 Zwangsarbeitern Kübelwagen, V1-Bauteile, Bomben und Flugzeugbauteile hergestellt.

Schon kurz nach 1945 war „alles vergessen“:

Dann begann der Aufstieg des Autos in Deutschland, also des motorisierten Individualverkehrs. Die Inlandsnachfrage und die zerbombten/zerstörten Hersteller im Ausland konnte nicht mehr liefern, weshalb die deutsche Autoindustrie recht schnell sehr stark wuchs und Rekord an Rekord einstellte. Aus Rüstungszulieferbetrieben wurden Automobilzulieferer. Das perfekte symbiotische Verhältnis wuchs immer weiter, immer mehr wurde von den OEM-Herstellern an Zulieferer ausgelagert, immer mehr Fahrzeuge gingen in den Export.

All das war nur möglich, weil die Westalliierten 1945 „drei Augen zugedrückt haben“ – vermutlich nur wegen des sich abzeichnenden Kalten Krieges, nicht wegen der unfassbaren, industrialisierten Verbrechen der Deutschen in der Zeit davor…

Während viele westliche Nationen (zB das Vereinigte Königreich aber auch die USA) immer weiter deindustrialisiert haben und sich hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelten, liefen in Deutschland und im Ausland von deutschen Autobauern immer mehr Automobile vom Band.

Aber spätestens in den 1980ern hätte man stutzig werden müssen: In den USA war die IT-Revolution an ihrem ersten Höhepunkt, während Nixdorf in Deutschland die Fabrik schliessen musste und hier keine originellen Hardware-Produkte erfunden oder gebaut wurden.

Dann kam die Wiedervereinigung mit all ihren Veränderungen, Kosten, Arbeitsplatzverlusten und man war froh darum, durch das Autowerk in Eisenach und die Engagements von VW, BMW und Porsche u.a. in Zwickau und Leipzig neue Jobs zu schaffen.

Doch dann öffnete sich China und alle sahen das Geschäft ihres Lebens kommen! Milliarden von Menschen wollen auch Milliarden von Autos und keiner kann es so gut, wie die Deutschen Autobauer! Und so standen OEMs und Zulieferer Schlange um in China neue Märkte zu erschliessen, musste oder wollten aus Kostengründen dort produzieren. Der Haken: Es sind nur Joint-Ventures mit chinesischen Unternehmen erlaubt, welche mindestens 51% der Anteile halten müssen. Aber lieber 49% vom Milliardenmarkt als 0%…

Blöderweise sind die Chinesen nicht dumm und so lernten sie durch Imitation sehr schnell, wie man Fahrzeuge günstig produziert. Imitation geniesst in Deutschland einen schlechten Ruf, man bezeichnet es als Diebstahl von geistigem Eigentum, Patentverletzung, Ideenklau usw – aber wirklich gut werden Imitationen erst, wenn der Imitator die zu kopierenden Produkte oder Verfahren verstanden hat und diese verbessert.

Der Mensch lernt am besten durch Imitation – und erst ein umfassendes Verständnis einer Sache sorgt für hohe Qualität. Deutschland war vor langer Zeit auch bekannt als Land der Kopierer, „Made in Germany“ sei damals ein Negativmerkmal gewesen. Auch Japan und Korea hatten nach dem zweiten Weltkrieg lange den Ruf, „nur nachzumachen“ – aber wer sich anschaut, wie elementar Toyota, Hyundai und Samsung ihre Sparten nach vorne gebracht haben, wird das alles sofort verzeihen. Auch westliche Autobauer und Tech-Konzerne übernahmen dann die Errungenschaften, weil sie einfach besser waren: Henry Ford mag die Fliessbandarbeit in den Autobau gebracht haben, Daimler und VW kopierten diese schon in den 1930er und das in den 1940ern erfundene Kanban-Prinzip aus Japan (Toyota) dient heute als universelles Prozessteuerungsprinzip zB. auch in der Informationsbranche.

Es gibt nur einen Haken an der ganzen Sache: Ohne Öl läuft bisher nichts. Die Ölkrise in den 1970ern hat das deutlich gemacht und trotz des Endes des Kalten Krieges und der Ausbau der US-Saudischen Beziehungen: „Unser“ Öl kommt noch immer zu einem großen Teil aus Ländern ohne demokratisches System, ohne Rechtsstaat. Jeder Tropfen Öl aus Saudi-Arabien oder Russland, IRAN, Nigeria, Venezuela sorgt dafür, dass die Regime sich dort weiter halten können und Menschen und deren Lebensraum ausgebeutet werden. Selbst wenn die USA ihren Binnenverbrauch durch Ölsandförderung decken und wir uns über Nordsee-Öl versorgen, so werden aus Deutschland exportierte Fahrzeuge in anderen Regionen der Erde dann eben mit Öl aus fragwürdigen Quellen betrieben.

Länder ohne eigene Automobilindustrie haben teilweise schon in den 1910ern auf elektrische Antriebe zB bei der Eisenbahn oder Straßenbeleuchung umgestellt: Kohle, Gas und Öl gibt es in den Ländern nicht oder ist mangels Seehafen auch nicht sicher aus entfernten Ländern beziehbar. Strom war damals schon durch z.B. Wasserkraft erzeugbar, später dann durch Kernenergie.

Ohne relativ autonome Energieversorgung ist keine Nation wirklich frei und unerpressbar: China ist zB selbst ein Ölproduzent, aber die enormen Verbräuche in der Industrie, Verkehr und Stormerzeugung sorgte in den letzten 20 Jahren für eine Nachfrageexplosion. China kauft deshalb auf dem Weltmarkt enorme Mengen zu, sichert sich in Afrika direkten Zugriff auf Rohstoffe. Trotzdem ist die chinesische Führung schlau genug zu erkennen, dass dieses Vorgehen nicht dauerhaft skaliert und trägt und man versuchen muss, davon unabhängig zu werden. Kernkraftwerke produzieren viel weniger direkte Luftschadstoffe als Kohlekraftwerke, Elektroautos würden auch helfen den Ölbedarf im Verkehr zu senken.

Chinesische Unternehmen besitzen also 51% der Autofabriken deutscher Hersteller in China und sind stark daran interessiert, den Fremdbedarf von Öl und Kohle stark zu senken. Man hat einen unfassbar großen Binnenmarkt, zumal der auch noch stark politisch reguliert ist und weiterhin gibt es immer noch Nationen, die bisher stark unterversorgt sind. China flutet deshalb gerade Afrika und Südamerika mit billigen Verbrennerfahrzeugen aus eigener Produkt, wird aber auf Kurz oder Lange auch dort Elektrofahrzeuge verkaufen. Politische Regulierung und „unfreier Markt“ sorgen dafür als Garant für den Aufstieg der nationalen Autoindustrie. Da kann auch Trump, die EU oder die WTO durch Sanktionen/Strafzölle nicht mehr viel ändern: Zu viele Bauteile gibt es nur noch aus China, wir würden uns also selbst schädigen.

Was also post-1945 in Deutschland funktioniert hat, die hohe „patriotische“ Binnennachfrage, die politische Situation, die ausgeschaltete Konkurrenz im direkten Ausland und das extreme Wachstum durch den Export – passiert jetzt in China. Wir sehen gerade den ersten Schritt.

Die ersten EVs aus China sind schlecht verarbeitet, haben Macken… 2-3 Jahre und einen Entwicklungszyklus später ist man schon „10 Jahre näher“ an der Qualität dt. Produzenten und mit der Batterietechnik wird es einerseits einfacher ein Auto zu bauen, andererseits benötigt man hierfür Rohstoffe und eine skalierfähige Zellenproduktion. Das hat China und das fehlt den deutschen Autobauern.

In meinen Augen sind die Würfel längst gefallen, es ist nun nur eine Frage der Zeit, bis es hier spürbar sein wird. Zuerst wird hier der Low-End-Markt einbrechen, während sich Mittel und Oberklasse (inkl. Tesla) auch in China noch weiter verkaufen werden. Aber damit wird ein negativer Ecnomy-of-Scale-Prozess beginnen, der nach und nach zuerst Zulieferer und dann auch einzelne Anbieter beerdigen wird (sie werden von chinesischen Konzernen geschluckt und als Marken weitergeführt und verwenden die selben Plattformen, so wie Seat oder Skoda) .

Wenn also wieder ein täglicher Shitpost in deutschen Medien die „schlechten Spaltmaße“ eines Teslas kritisiert, dann schrauben in chinesischen Fabriken bereits tausende Mitarbeiter bereits längst den Vorläufer des VW-Golf-Killers und im Silicon Valley Uber, Lyft, Waymo/Google und Tesla bereits tausende Entwickler an Kombinationen aus shared/selbstfahrenden Fahrzeugen, die den Besitzt eines Fahrzeuges überflüssig machen.

Oder um es militaristisch zu sagen: Mehrfrontenkrieg.

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