Seit 2007 betrieb ich einen (inoffiziellen) Twitter-Account in deutscher Sprache mit aktuell über 300.000 Tweets. Die letzten 3-4 Jahre waren allerdings ziemlich unbefriedigend, weil klar wurde, dass insbesondere „im deutschen Teil“ fast nur Akteure aktiv sind, die eine Agenda setzen wollen:
- Politiker, die ihr Parteiprogramm und ihre Person in gutem Licht darstellen wollen.
- Unternehmen, die Twitter als Ausspiel-Plattform für PR nutzen.
- (inoffizielle) Mitarbeiter von Unternehmen, die ihre Produkte verkaufen oder gesellschaftlich-politisch Einfluss nehmen wollen (Beispiele: Gewerkschaftler, Diesel-Gate-Relativierungen durch Mitarbeiter von Daimler, VW, Telekom etc.).
- Rechts- und linksradikale Accounts mit der Absicht der Generierung von Stress, Aufstachelung, Irreführung und Volksverhetzung.
Der Nutzwert wurde immer geringer, man simulierte sich eine Community die aber meist durch allgemeine „oh, heute ist das Wetter aber schlecht“-Tweets bestand, natürlich auch von mir. Das ist Zeitverschwendung. Man kann natürlich sagen, dass wäre Smalltalk und Teil einer sozialen Interaktion mit (Un-)Bekannten. So wie be Facebook oder andere Social Networks eben auch und genau so oberflächlich/nutzlos. Aber egal wo man hinschaut: Man baut mit dem „Content“ und der „Zeit“ eine Plattform auf, die dann knallhart gegen einen verwendet wird.
Ob Twitter, Facebook, YouTube, Tumblr… alle wurden sie so groß und *alle* haben sich dann gegen ihre User gewendet, zensieren Inhalte und Communities, müllen timelines mit gekauftem und oft irrelevantem Content (Werbung) zu und schliessen das einst „offen Ökosystem“ durch das Abstellen von API und 3rd-party-Integrationen.
Twitter hat aktuell eingeschränkt noch zwei interessante Sub-Gruppen für mich: Financial Twitter und teilweise US Tech Developers. Viele Mitarbeiter von Bloomberg sind dort noch (mehr oder weniger ernsthaft) aktiv und man erhält Zugang zu Unternehmensmeldungen, die hier von deutschsprachigen Medien gerne verschwiegen werden. Ich bezeichne das mal als „Information Frontrunning“, weil sämtliche deutschsprachige Reichweiten-Medien wie SPON, Welt, ÖR-TV/Radio, FAZ und andere Zeitungen so gut wie keine Auslandskompetenz mehr haben und sich selbst naiv an (preiswertem) Agentur-Content festhalten und somit immer langsamer oder schlechter als die Primärquellen sind.
Man konnte das in den letzten Monaten bei Tesla sehr gut sehen, wie hier falsch abgeschrieben/übersetzt wurde und auch grundlegende Fachtermini nicht erkannt und korrekt wiedergegeben wurde (vgl Tesla/“taking private“ oder diverse Anti-Tesla-Artikel mit „zufällig“ eingestreuten WKN diverse Short-Hebelderivate – mehr dazu in einem späteren Blogpost).
Aber letztlich wird Twitter von Bloomberg und Mitarbeitern auch nur dazu verwendet, Traffic auf die eigene Content-Plattform zu ziehen und auch Subscriptions zu verkaufen („Bloomberg Terminal“). Man kriegt also eine (zugegeben sehr attraktive) Probierpackung und soll und muss irgendwann bezahlen, was man an der vor einigen Monaten eingeführten soft-paywall auf bloomberg.com für TV-Stream und Artikel bereits sehen kann. Twitter ist hier auch nur Mittel zum Zweck mit einem attraktiven „Köder“.
Ich gewinne kaum Erkenntnisse durch den Dialog mit diesen Redakteuren sondern durch deren Veröffentlichungen und den Hinweis darauf. Die Plattform spielt dafür keine Rolle, RSS oder Newsletter würde es auch tun. Auch hier simuliert man sich Nähe oder „Bekanntschaft“ zu „Berühmtheiten“ (naja, durchaus kompetente Fernsehredakteure) oder verschwendet Zeit mit Blödeleien.
Auch viele US-Tech-Developer haben ihr Engagement auf Twitter reduziert, einige sind zu selbstbetriebenen Lösungen auf Mastodon-Basis gewechselt, andere haben ihre Aktivitäten ganz eingestellt.
Twitter eignet sich nicht zum Aufbau einer „intensiveren“ Beziehung, weil sämtliche Funktionen einer Intensivierung entgegenstehen. Weder kann man ordentlich öffentlich diskutieren (reply/thread-view ist die Hölle) noch sind private messages ansprechend (oder verschlüsselt). Man hat also dauerhaft eine Gruppe von Leuten, die sich eigentlich nicht kennt und oberflächlich Dinge verbreitet, dazwischen „find ich gut“ und „lösch Dich, Du Penner“-Replies. Auch Mastodon und jeder andere „Twitter-ähnliche“-Dienst hat dieses Problem.
Dazu kommt, dass mit der Einführung des NetzDG durch SPD-Minister Maas in Deutschland eine ziemlich willkürliche Zensur von Tweets stattfindet: Ausländerhass und geschmacklose Witze „bekannter“ AfD-Accounts werden durchgelassen, ironisch/zynische Tweets z.B. von mir als Aufforderung zu Straftaten gesehen oder Beleidigungen. Es gibt keine gefühlte Gerechtigkeit bei der Moderation, keine Einspruchsmöglichkeit.
Nun lassen also die Arvato-Bertelsmann-Mitarbeiter im Auftrag von Twitter Tweets durchgehen, die dazu auffordern Flüchtlinge an Grenzen zu erschiessen oder im Mittelmeer ertrinken zu lassen, stören sich dann aber an meiner zynischen, überspitzten Formulierung als Subtweet auf populistische Lösungsvorschläge andere, wie z.B. „einfach alle erschiessen, die nicht programmieren können“ oder „Komplexität verringern: 50% der Menschheit erschiessen“ etc. pp.
Ich will weder für IQ75-Callcenter-Menschen formulieren müssen, noch will ich weiter in einem/dem selben Gülleloch voller AfD- und Linksradikalen-Irren gefangen werden die Twitter weiter nicht abdreht (bzw. die vermutlich dank Anwaltseinsatz der AfD sogar noch viel mehr Freiräume haben).
Wer nicht im Stande ist, zu Unterscheiden ob man gegen Bevölkerungsgruppen hetzt (Flüchtlinge, LGTBQ, …) oder zynisch inhaltsschwache Digitalisierungskonzepte kritisiert, sollte auch keine Moderatoren-Tätigkeit übernehmen dürfen. Weiterhin bedrohte oder hetzte ich nicht gegen Einzelpersonen oder Minderheiten, sondern gegen die Mehrheit, die eben bis heute keine Anstalten macht z.B. das Programmieren zu erlernen oder mal technisch kompetenter zu werden.
Zudem wurde auch niemand gezwungen, meine Geschmacklosigkeiten „ertragen zu müssen“. Following ist optional. Wen es genervt hat, konnte jederzeit unfollowen. So einfach ist das, in einem (freien) Web.
Von meinen ehemals über tausend Followern waren allerdings sicher 50% tote Accounts, Werbeaccounts und Leuten die ihre politische Propaganda puschen wollten (insb. FDP, früher auch mal Piraten – Linke und Nazis habe ich früh bekämpft) und auf ein follow-back gehofft haben. Ich habe ein paar hundert geblockt und dann aufgegeben. Einige wenige (ca 50) haben mehr oder weniger regelmäßig interagiert, meist zu den für mich interessanten Themen wie Finanzen, Elektromobilität und Digitalisierung.
Die Value/Shit-Ratio ist trotzdem weit unter 1 gefallen, ich verschwende Zeit und so gesehen bin ich den mutmaßlich schlecht bezahlten und Arvato-Mitarbeitern ohne Programmiererfahrung für das Overblocking sogar dankbar: Ich werde nun wieder mehr Zeit haben, mich relevanten Themen und Dingen zu widmen, die mein Einkommen und mein Vermögen weiter erhöhen.
Allen anderen kann ich nur raten, sich genauer anzuschauen, was die Motivation diverse dt. Akteure auf Twitter wirklich ist (Technologiehochstapler/Werber z.B. aus dem FDP-Umfeld, Bahn-Mitarbeiter die gegen private Konkurrenten trash-talken oder Verkäufer von Finanzprodukten oder Zeitungsabos — oder eben politisch/menschliche Arschlöcher von Rechts und Links).
PS: Für mich war Twitter aber auch immer eine Art von Therapie und Selbstreflexion. Jeder kennt das Konzept, ein Problem einem Dritten zu erklären (Ob Mensch oder Tier…) und dadurch selbst auf eine Lösung zu kommen. Twitter war also auch eine Art Tagebuch, Psychotherapie, Low-Level Blog und Gedanken-Snapshot — der zu 99% nur für mich relevant ist. Ich werde das auf einer eigenen Plattform fortsetzen, aber höchstwahrscheinlich nichtöffentlich. Für „reifere“ Ideen schreibe ich dann weiterhin ab und an ein Blogpost.
Wer den direkten Kontakt sucht, kann und soll sich gerne per E-Mail an mich wenden.