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Reales Radfahren

Nach ca. 2500km (Laut Garmin GPS-Uhr) im ganzen Jahr 2021 kann ich dieses Jahr schon im August deutlich mehr Kilometer aufweisen. Durch das tägliche Zwift-Training von Januar bis Ende Juni konnte ich meine Fitness weiter aufbauen. Stand 4.8.2022 habe ich dieses Jahr nun bereits 5000km geradelt, wovon 2200km virtuell auf dem Rollentrainer und 2800km real auf dem Rad stattfanden.

Achtung: Höhenmeterangaben sind falsch, da meine GPS-Uhr Probleme mit dem barometrischen Höhensensor hat und GPS zu fortlaufenden Höhenmessung ungeeignet ist!

Ende Mai wurde es mir mit Zwift dann doch zu langweilig, aber 5 Monate ohne Pausentag habe ich vollmachen können, bevor dann das gekündigte Abo auslief. Ich finde es noch immer super, um mit möglichst wenig Aufwand zuhause ein paar Minuten Rad zu fahren und das bei jedem Wetter. Der dabei erzeugte Lärm schränkt die Nutzung natürlich leider auch wieder ein, ausser man hat einen sehr teuren direct drive Trainer, bei dem das Hinterrad (genauer gesagt nur die Achse und Kassette) durch den Trainer ersetzt wird. Vielleicht für den nächsten Winter eine lohnenswerte Anschaffung?

Nun fahre ich also vorerst „nur“ real: Auch hier bis heute jeden Tag. Im Juli konnte ich die 1000km vollmachen, was auch daran lag, dass ich ein weiteres Fahrrad eingeflottet habe. Ein ca 13-14 Jahre altes Garagenfahrrad Marke Patria, Modell Trondheim. Es ist mir leider etwas zu klein, aber mit langer Sattelstütze und Gabelverlängerung ist es sehr gut fahrbar.

Wie mein bisheriges Utopia Roadster-Rad stammt auch dieses Fahrrad aus einer deutschen Manufaktur, ist aus Stahl und wurde in Handarbeit gebaut. Der Rohrsatz kommt von Poppe & Potthoff aus Werther im Kreis Gütersloh, der Rahmenbau und die Montage erfolgt in Leopoldshöhe, einem Vorort von Bielefeld bei Patria / Kleinebenne. In einer WDR-Doku über das Fahrrad allgemein kann man einen Einblick in diese Manufaktur ab Minute 4:26 erhalten:

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Ende Juni habe ich das Rad auf eBay-Kleinanzeigen entdeckt und sofort zugeschlagen. Es vergingen dann noch einige Wochen bis alle Komponenten zur Anpassung angekommen und verbaut waren. Wie bei allen Fahrrädern, immerhin jetzt das vierte, vertraue ich ausschliesslich meinen eigenen handwerklichen Fähigkeiten, mehreren Drehmomentschlüsseln – und Tutorials auf YouTube. 😉

Die originalen, aber mittlerweile porösen 37mm breiten Reifen beim Patria Trondheim machten mir die größten Sorgen: Der Utopia Roadster kommt mit sehr breiten 60mm Ballonreifen her, die ideal für Asphalt und schwere Lasten, für die vielen Schlaglöcher, Wurzelschäden und Baustellen im Münchner Radverkehrsnetz sind. Bereits das „Velo de Ville“ Alu-Rad, welches ich dann stationär für Zwift verwendet habe, kam mit 42mm und 47mm Reifen daher und war sehr instabil.

Vermutlich habe ich durch das Rollentraining und die vielen Kilometer mittlerweile aber mehr Stabilität/Fahrtechnik zugelegt oder es liegt an den „Little Big Ben“ von Schwalbe, die mit 40mm gerade noch so in das Patria Trondheim passen: Es fährt sich mit 5bar wie auf einer Rakete, auch auf moderaten Kieswegen. Perfekt!

Schon bei der ersten Ausfahrt war ich circa 3-4km/h im Schnitt schneller(!), das Rad ist deutlich leichter als das Utopia. 5 Pedalumdrehungen und ich bin bei 25 km/h. Wahrscheinlich hat die leider nicht mehr produzierte Schaltung, eine SRAM DualDrive II mit 24 Gängen, den größten Anteil daran. Während traditionelle Kettenschaltungen entweder mit Umwerfer und vorderen Kettenblättern (2-3 Stück) sowie einem Schaltwerk hinten für 7-13 Gänge daherkommen, sind Nabenschaltungen reine Getriebeschaltungen vollständig in der Nabe/Achse des Hinterrades verbaut.

Fichtel und Sachs hatte in den 1980er eine Kombination aus beidem entwickelt, dass nach der Übernahme der Fahrradsparte durch SRAM aus den USA noch bis Mitte der 2010er Jahre hergestellt und dann leider ersatzlos eingestellt wurde.

Bei mir sind also in der Nabe 3 Gänge verbaut und „davor“ ein Freilauf mit 8-Gang Kassette (3×8 = 24 Gänge). Der Vorteil ist, dass man die Nabe im Stand schalten kann und dabei große Sprünge von ca 33% je Gang hat, also ideal für Ampelstarts. Dann schaltet man über die Kettenschaltung weiter hoch. So habe ich eine Entfaltung von deutlich über 500%.

Die große Bandbreite erlaubt es, möglichst immer im „richtigen“ Gang zu fahren, also idealerweise den mit der passenden Kadenz (Trittfrequenz) und möglichst geringem Widerstand. Nur Anfänger fahren in sehr großen Gängen mit geringen Trittfrequenzen, machen aber circa 90% der Alltags-Radfahrenden auf der Straße aus: Hier hat man nach kurzer Zeit eine Muskelermüdung, muss abreissen/ausrollen lassen – und am Ende des Tages Muskelkater.

Erst durch Zwift und die „garantierte Stabilität“ eines Trainers konnte ich mir eine etwas höhere Frequenz beibringen. Man muss schon mit dem Hintern fest im Sattel sitzen und die Beine dann nur für den Antrieb nutzen, nicht für die Stabilisierung. Profis schaffen und halten(!) deutlich über 100 Umdrehungen pro Minute, Pedelecfahrende sieht man mit 30-40 (Alibi-Frequenz, um den Trittsensor zu stimulieren und damit die Motorunterstützung abzurufen), Alltagsradfahrende in der Stadt liegen vermutlich bei 50-60rpm. Alleine der Sprung auf 70-75rpm machen schon einen enormen Unterschied. Hätte ich nie erwartet!

Beim Utopia Roadster, meinem Hauptrad von 10/2020 bis vorletzte Woche, ist nur eine alte 7-Gang-Nabenschaltung verbaut, die in der Stadt und der Ebene super ist, aber schon bei kleinen Steigungen unbequem wird. Für München (Stadt) vollkommen ausreichend, auch für Gasteig, Giesinger Berg etc. – aber fürs Umland und „brutaleren“ Steigungen nicht:

Mit der besagten DualDrive II am Patria konnte ich beim Asam-Schlössl in Thalkirchen ohne Absteigen in einem Zug eine Steigung erklimmen.

Anderswo im Flachen konnte ich regelmäßig Pedelec-Fahrende abhängen oder jagen: Ein neues Hobby von mir. Wer sich an roten Ampeln vordrängelt oder mit 1km/h Unterschied z.B. im Forstenrieder Park mit seinem Pedelec überholt, wird mich nicht mehr los. Einerseits trainiere ich so meine Fitness und andererseits sind die Leute dann irritiert und angesäuert, weil der Motor sie bei 25-26km/h hängen lässt und das „King/Queen of the Radweg“-Gefühl eine Delle bekommt.

Die Crux ist, dass die Pedelec-Antriebe zwar oft bis zu 400% der eingebrachten Leistung verstärken und so sehr entspannt die 25km/h Grenze erreichen lassen – mit sehr niedriger Kadenz und großen Gängen. Zur Überwindung müssten dann aber auf einen Schlag 250W oder mehr aufgebracht werden nur um etwas mehr als 25km/h zu halten. Das schafft natürlich niemand. Sie kurbeln gegen eine Wand, der Motor reguliert runter, sie kurbeln immer härter, die Geschwindigkeit bleibt gleich – Muskelermüdung setzt ein. Verloren. Ich bin derweil bereits in Idealkadenz.

Oder sie schalten runter um ein eine hohe Kadenz zu erlangen, dabei regelt der Motor runter und die Geschwindigkeit fällt auf deutlich unter 20km/h und ich bin längst weg.

Wirklich jede/r Pedelecfahrende (typische Altersgruppe 60+) wird dabei sauer und zugegeben das motiviert mich. Wenn man dann mit 30km/h über eine Brücke über die S-Bahn-Stammstrecke fährt und die Leute dann zurücküberholt, sind sie 2x so sauer. Herrlich. So machen Sprints Spass!

Während ich mit dem Roadster (einfach) nach Augsburg, Freising, Erding, sowie von Altomünster nach Neuburg an der Donau und von Augsburg die abgebauten Bahnstrecken Augsburg-Welden und Wertingen-Meitingen fuhr, fahren ich mit dem Patria aktuell noch im näheren Umfeld bzw. bis Altomünster oder Erding.

Für Bikepacking eignet sich das Patria Trondheim wegen der zu kleinen Rahmengröße für mich vermutlich nicht, da ich mit dem Fuß an Packtaschen stossen würde. Andererseits plane ich mittels Komoot sowieso nur noch „Rennradtouren“ weil ich keine Lust mehr auf groben Schotter und kaputte, unbefestigte Radwege habe und Geschwindigkeit doch mehr Spass macht, als pure Distanz und langweilige Radwege.

Mit etwas Planung und Glück findet man um Erding, Ebersberg oder im Dachauer Hinterland exzellente asphaltierte Nebenstraßen mit gutem Belag. Hier kann man kilometerweise abwärts oder aufwärts „heizen“, darf aber nicht all zu frustriert sein, wenn ganze Pulks von richtigen Sportlern mit gefühlten 45km/h tiefenentspannt an einem vorbeiziehen und man sich dann doch wieder sehr, sehr langsam und untrainiert anfühlt. (Hinweis: Tageszeiten und landwirtschaftlichen Verkehr beachten, sonst kann es gefährlich werden).

Absolut überbewertet und von mir gehasst: Der Isar-Radweg. Sowohl von Wolfratshausen nach München als auch von München nach Freising unbefestigt, teilweise in sehr schlechtem Zustand, geteilt mit Autoverkehr und mit Gefahrenstellen. Im Bereich der Stadt München vergleichsweise gut, selbst der Gravel-Abschnitt Richtung Ismaning kann sehr viel Spass machen.

Traurig, dass es bis heute keinen durchgängigen asphaltierten Radweg von München nach Freising gibt: Ein sehr gefährliches Straßenstück ist ohne Radweg und absolut nicht zu empfehlen. Grund: Es handelt sich um eine Landstraße, in Bayern größenwahnsinning „Staatsstraße“ genannt, die bis in jüngste Zeiten ohne Radwege gebaut wurden. Niemand bei der CSU kam jemals auf die Idee, dass Radfahren über kommunale Grenzen hinaus möglich sei. Gemeinden/Städte versuchen alles, gehen in finanzielle Vorleistung, machen Druck, nur um zu verhindern, dass weitere Bürger dort totgefahren werden.… mal gespannt, wann die Lücke geschlossen wird.

Je weiter man von Oberbayern in Richtung Schwaben kommt, desto besser scheinen die Wege zu sein. Schon hinter Dachau geht es los, trotz Hügeln wurde dort wohl lange vor „dem Pedelec-Zeitalter“ in Infrastruktur investiert. Natürlich eine Form einer Art von „Subventionsbetrug“, weil die Radwege an Straßen auch hier primär zur Erschliessung der landwirtschaftlichen Flächen (Äcker) gebaut wurden… aber sofern sie nicht verdreckt sind, warum auch nicht.

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