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Virtuelles Radfahren

Wer ein Fahrrad übrig hat, kann sich mittels der kostenpflichtigen Zwift-App (Abo) und einem passenden Rollentrainer zuhause ein statisches Trainingssetup einrichten und in einer virtuellen Welt Radeln. Natürlich gibt es Komplettgeräte für mehrere tausend Euro, smarte direct drive-Trainer, die das komplette Hinterrad ersetzen, für über 1000€ und „dumme“ Trainer für einige hundert Euro.

Letztlich kommt es auf folgende Dinge an:

  • Wie wird Leistung, Kadenz und Pulsfrequenz erfasst
  • Wie laut ist das Setup
  • Wird der Widerstand angepasst oder nur über die Distanz geregelt.

Um das ganze mal mit so wenig Risiken wie möglich zu testen, habe ich mir mit dem Lastenrad einen analogen Tacx-Rollentrainer für 30€ von ebay-Kleinanzeigen geschossen und abgeholt. Da ich nicht über ein Fahrrad mit Kettenschaltung verfüge und somit auch keine Schnellspanner am Hinterrad habe, hatte ich mir schon Monate zuvor einen Weg gesucht, trotzdem einen Trainer verwenden zu können: Es gibt genau einen, der nur wenig bekannt ist: Tacx, ein ursprünglich Niederländisches Unternehmen, das seit einigen Jahren zum US-Konzern Garmin gehört und weiterhin die Trainer anbietet, hat damals auch an „Hollandräder“ mit Vollachse gedacht und es gibt auch heute noch Achsmuttern, die in diese „dumb trainer“ von Tacx passen – und zwar nur in die von Tacx.

Das alleine erlaubt es nur, das Rad einzuspannen und mit einer manuellen, analogen Seilzugsteuerung am Lenker den Widerstand zu verändern, ein ziemlich ödes Unterfangen was vermutlich bei vielen Verkäufern der Grund war, hier aufzugeben.

Zwift, also die App des Dienstes, ist allerdings in der Lage, die erbrachte Leistung zu quantifizieren: Hierzu stellt man den Trainer fest in eine Widerstandsstufe ein (bei mir 4) und montiert preiswerte 20€-Bluetooth-Sensoren für Kadenz, Geschwindigkeit (auf der Hinterradnabe) und einen Puls-Brustgurt. Zusammen mit dem eingegebenen Körpergewicht kann Zwift eine theoretische Watt-Zahl errechnen, eine virtuelle Geschwindigkeit, Distanz, allgemeine Leistungsentwicklung (durch Puls).

Die Hinterrad-Achse wird eingespannt…
Der Reifen liegt auf einer Rolle auf, die über eine Magnetbremse verfügt, der den Widerstand simuliert. (sehr laut)

Da nun der Widerstand immer statisch ist, ist das Fahren zwar nicht sehr realistisch, aber es funktioniert: Höhenmeter bei gleichbleibender Wattzahl sorgen für eine geringe Geschwindigkeit, also auch geringere Distanz. Das kommt geraden schweren Radlern entgegen, denen schlicht am Berg die Gänge ausgehen, weil niemand mit 1km/h sicher 12% Steigung fahren kann.

Letztlich wollte ich den Winter überbrücken der letztlich nicht kam. Ich habe mir dann eine Challenge ausgedacht: Für 90 Tage jeden Tag eine halbe Stunde (im Schnitt) zu radeln, was ich heute auch erfolgreich beenden konnte. Tage mit sehr kurzen Fahrten waren dadurch begründet, dass ich dort eine längere Radtour unternahm oder bei der Critical Mass mitgefahren bin, was auch ca 3.5 Stunden Radfahren bedeutet.

Mittlerweile bin ich auf Zwift in Level 15 aufgestiegen: Unter anderem zählen hier sowohl gefahrene Kilometer als auch abgeschlossene Strecken. Letztere brachten mir die überwiegenden Aufstiegspunkte, sind jetzt aber erst mal erschöpft: Besonders steile Bergetappen wie der Nachbau der Tour de France-Legende Alpe d’Huez (als Alpe du Zwift) ersparte ich mir, da bin ich chancenlos.

Besonders lange Strecken auch, weil die Ergonomie leider nach 20-30 Minuten eine Pause verlangt (habe viele Sättel probiert, auf dem Trainingsrad bis heute keine guten gefunden, auch mit gepolsterter Hose kann ich nur unwesentlich länger am Stück radeln, schade).

Für mich bestand die Primärmotivation in den Messwerten von Zwift, denn ich hatte immer nur ein iPhone am Lenker montiert, also kein typisches „Pain cave“ eingerichtet mit großem TV-Bildschirm und offener Companion-App zum Chatten und „Liken“.

Ich werde mich jetzt wieder mehr auf das „echte“ Radfahren fokussieren und das Abo kündigen. Derweil werde ich die Augen nach einem besser geeigneten Trainingsrad und einem wirklich ordentlichen und ruhigeren Smart Trainer offenhalten. Der nächster Winter kommt bestimmt – oder ein Tag, bei dem man nicht mehr schafft, als die 2min zum Losfahren auf dem Trainer.

Kosten:

  • 30€ für den gebrauchten Trainer
  • 15€ für die passenden Hutmuttern
  • 30€ für einen passenden Trainer-Reifen (war nicht viel leiser)
  • 40€ für mehrere Lagen(!) Dämm-Matten u.a. 2 Waschmaschinen-Unterlagen.
  • 2×20€ für Sensoren (Kadenz, Geschwindigkeit)
  • 60€ bzw 15€ für Pulsgurt (Garmin war eine Katastrophe, Polar funktioniert stabil)

Indirekte Kosten:

  • defekten Vorbau ersetzt für 40€ (der alte brach gerade noch glimpflich)
  • mehrere Sättel (Fundus)
  • SPD-Klickpedale (Fundus) + Schuhe
  • das Rad hatte ich vor ca einem Jahr über ebay-Kleinanzeigen für 100€ gekauft als Backup.

Letztlich war das ganze wieder ein erfolgreiches Projekt, mit möglichst wenig Risiko etwas auszuprobieren.

Vielleicht kaufe ich mir dann ein 7000€ Cinelli-Rad und einen 1200€ Tacx Neo 2T Trainer für den Winter…

Ob das ganze nun meiner Fitness was gebracht hat, werde ich demnächst dann draussen sehen…

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