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Social Overkill

In unserer Zeit geniessen viele NGOs einen Status als Heiligtümer, der sogar Mutter Theresa zu übertreffen scheint. Aber unsere Welt verändert sich, was passiert dann?

Konstruieren wir einmal ein abstraktes Beispiel: Ihr habt als Wissenschaftler einen Verdacht, dass ein bestimmter Baustoff starke Gesundheitsschäden verursacht, jedoch könnt ihr mit Brandbriefen an Unternehmen und Politiker keine umgehende Lösung erreichen. Ihr entschliesst euch also dazu, ein NGO zu gründen:

Ihr sammelt Mittel ein, zuerst aus eurem Privatvermögen, später über Spenden und irgendwann erreicht ihr auch eine Oppositionspartei, die euch neue Kapitalquellen eröffnet.

Mit ausreichend Mitteln ausgestattet, könnt ihr euch Vollzeit-Mitarbeiter, ein Presseteam und natürlich ein Büro in der Hauptstadt leisten. Ihr veröffentlicht regelmäßig „Berichte“/“Reporte“/“Weissbücher“, erregt eventuell durch Publicity-Stunts (Banner, Hausbesetzung, Flyer, irgendwo Festketten, Randale, Lärm) immer wieder die Öffentlichkeit.

Irgendwann erreicht ihr euer Ziel: Der Baustoff wird verboten. Alles ist gut, oder?

Was macht euer NGO jetzt? Mitarbeiter entlassen, Büro aufgeben, Vermögen ausschütten bzw. gemäß der Vereinssatzung spenden?

Wenn das Ziel erreicht ist, sollte man doch aufhören, oder? Andererseits seid Ihr erfolgreich, habt Infrastruktur aufgebaut und einer eurer größten finanziellen Unterstützer hat schon seit längerem auf ein neues Problem mit einem ominösen Breitbandherbizid hingewiesen, dass zwar schon seit 35 Jahren im Einsatz ist, aber wohl schlimme Wirkungen nach sich ziehen soll?

Vermutlich würdet ihr eure Satzung ändern, euch „breiter aufstellen“ und gegen alle ökologisch-sozialen Ungerechtigkeiten der Welt eintreten. Aus dem ursprünglichen Kampf für ein klares Ziel wird nun das gewerbliche Jagen nach neuen Agenda-Themen und das professionelle Bearbeiten von Themen um immer weitere Freiwillige, Gelder und Mitspracherechte zu erlangen.

Ab wann wird es unschön? Sind solche NGOs besser als klare Lobby-Institutionen für spezifische Branchen, sei es Autohersteller oder Tabakwarenproduzenten? Spielen diese nicht „ehrlicher“ mit ihren Karten?

Letztlich entstand eine Industrie des Lobbying und der Aktivisten, die nach aussen viel diverser aussieht, als sie wirklich ist: Vorgehensweisen und Mitarbeiter, aber auch politische Interventionen sind viel ähnlicher, als die Gruppen es wahrhaben möchte. Statt also den Staat unabhängiger von undemokratischer Einflussnahme auf „dem kurzen Dienstweg“ zu machen, haben wir nur noch mehr Gruppen, die versuchen genau dieses zu tun.

Kritik wird abgetan, man sei ja das „Sprachrohr der Experten“, „professionelle Experten beschäftigen sich in Vollzeit mit dieser Thematik“ und versucht so die Einflussnahme zu legitimieren.

Macht doch einfach mal den Test in eurem Bekanntenkreis: Werden Greeenpeace, BUND und Foodwatch so als Lobbyvereine wahrgenommen wie z.B. der Verband der Automatenaufstelle oder der VDA?

Und wenn man noch eine Hausnummer größer sucht:

Die Grünen waren ursprünglich gegen Atomkraft und Wiederaufsrüstung. Beides hat sich erledigt. Haben sich die Mitglieder politisch neu orientiert oder einfach nach neuen Themen gesucht? Wie glaubwürdig sind sie dann heute noch?

Viele der 2009er-Piraten waren auch okay damit, dass sich die Partei wieder auflösen würde, würden die Netzpolitischen Themen durch andere Parteien ordentlich vertreten. Das ist nicht passiert. Und trotzdem kamen immer neue Leute in die Partei die dann schliesslich die Plattform für ihre Agenda missbraucht und letztlich versenkt haben.

Die SPD wurde als Arbeiterpartei gegründet, doch es gibt heute fast keine Arbeiter mehr (nach damaliger Definition), somit ist die Grundlage der Partei eigentlich entfallen, wurde aber immer weiter ausgedehnt. Ähnliches passierte mit der CDU. Ist man Universalpartei, vertritt man den Allmachtsanspruch, in jedem Bereich Regierungskompetenz zu haben.

Ein ähnliches Muster erlebt man auch in allen mehr oder weniger staatlich finanzierten Organisationen wie z.B. dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk der seine Tätigkeit in den letzten 20 Jahren extrem ausgedehnt hat und die ARD zur teuersten Rundfunkanstalt der Welt gemacht hat. Oder die Industrie und Handelskammern (IHK) die eigentlich eine Interessensvertretung der Mitglieder sein sollte, dann Ausbildungstätigkeiten übernahm und heute ein Moloch geworden ist: Millionen werden für Magazine, Lobbying, „Beratungskapazität“ und Kommunikation ausgegeben. Jedoch ist für Mitglieder der Wert ziemlich begrenzt, es gibt defacto kein Entrinnen dank Zwangsabgaben.

Profitorientierte Organisationen die der Marktwirtschaft unterliegen sind auch gezwungen neue Geschäftsfelder zu entwicklen und zu besetzen um weiter bestehen zu können. Unternehmen unterliegen aber dem Gesetz des Marktes. Es gibt keine Garantie, dafür ein großes Risiko. Bricht der Bestandsmarkt schneller ein, als ein neues Geschäftsfeld aufgetan werden kann, stirbt das Unternehmen. Es war nicht anpassungsfähig. Gelingt die Expansion, so war sie vom Markt validiert, d.h. es gab zahlende Kunden, die einverstanden mit dem Preis/Leistungsverhältnis und dem Produkt waren!

Diese Legitimierung, die Chance auch zu einem wirtschaftlichen Totalschaden, ist aber zwingend notwendig um für die Gesellschaft das beste Ergebnis zu erreichen. Gibt es keine Konkurrenz, kein Feedback/Kontrolle, entsteht ein immer größer wachsendes Krebsgeschwür, dass immer mehr Mittel der Allgemeinheit aufzehrt und immer weniger zu Leisten im Stande ist.

 

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