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Paketzusteller und die Grundlagen der Wirtschaft

In der Vorweihnachtszeit berichten die Medien wieder über E-Commerce-Kaufexzesse um den Black Friday herum: Es wird online bestellt, hauptsächlich bei Amazon, und Paketzusteller ersticken unter dem Sendungsvolumen. Die Arbeitsbedingungen seien brutal, die Bezahlung schlecht. Schuld sind „die da oben“, Lohndumper aus Osteuropa, Amazon, Kapitalismus oder man selbst, sofern man die Tür öffnet und eine unfreundlichen Amazon Logistics-Fahrer vor sich hat.

Verdi streikt seit einer Ewigkeit bei Amazon, ohne Ergebnisse. Die Forderungen sind trickreich, statt einfach nur mehr Gehalt wird eine andere Tätigkeits-Einstufung angestrebt und von Amazon verweigert.

Ist es wirklich so einfach?

Das Problem besteht aus mehreren Faktoren:

  1. Strukturwandel hin zu E-Commerce
  2. Skalierungsunfähigkeit der Logistiker
  3. Strukturwandel im Arbeitsmarkt. Lohnzurückhaltung bei hohen Lohnnebenkosten, Flexibilität als negativ besetzter Kampfbegriff.
  4. Globalisierung inkl. EU-Osterweiterung

 

Strukturwandel hin zu E-Commerce

Eigentlich war seit 2000 klar, mit dem Sieg von Amazon und eBay, dass der Versandhandel in Zukunft den Präsenzhandel dominieren wird. Zuerst in den einfachen Segmenten wie Bücher, mittlerweile zeichnet sich auch auch in den anspruchsvolleren Segmenten wie Lebensmittelzustellung ein Wandel ab. Ladenschlusszeiten wie zu Hitlers Zeiten in Bayern oder der Verzicht auf ein teures Auto treiben viele Menschen – mich inklusive – zum Versandhandel. Die Preise wie auch Serviceleistungen sind überdurchschnittlich und mit dem Einzelhandel nicht zu vergleichen. Man schickt zurück, was kaputt ist oder nicht passt. Die Lieferkosten sind günstiger als zwei MVG-Fahrkarten. Der Markt, also die Menschen(!), haben entschieden.

Skalierungsunfähigkeit der Logistiker

Logistiker haben sehr wenig Innovationsbereitschaft gezeigt oder ihre Forschungsbudgets fehlalloziert: Zwar hat die Deutsche Post mit der Packstation ein innovatives Konzept ausgerollt, doch die Bereitstellung und Betriebskosten der Stationen sind enorm und die Kapazitäten beschränkt. Die Kostenstrukturen wurden dadurch verbessert, dass man immer mehr Zustelltätigkeiten an Subunternehmer ausgesourced hat, welche einzig über den Kostenfaktor konkurrieren und dementsprechend oftmals schlechten Service anbieten und in den allseits bekannten „Horror-Dokumentationen“ über „Paketsklaven“ eine große Rolle spielen.

Strukturwandel im Arbeitsmarkt. Lohnzurückhaltung bei hohen Lohnnebenkosten, Flexibilität als negativ besetzter Kampfbegriff.

In vielen Bereichen sind trotz wirtschaftlichen Booms und Vollbeschätigung die Gehälter nicht gestiegen, Steuern, Abgaben und Verbrauchskosten jedoch sehr: Neben Energiekosten (EEG/Strom) und Miete steigen auch Kosten für die Pflichtversicherungen Gesundheit und Pflege fast jährlich an. Somit werden viele Menschen noch preisbewusster und investieren zuhause noch mehr Zeit um Online das „große Schnäppchen“ zu machen. In besonderen Regionen wie z.B. München gibt es einen Fahrermangel bei den Paketdiensten, weil deren (ex-)festangestellten (ex-)Mitarbeiter schlau genug waren, sich nicht an einen Subunternehmer „abschieben“ zu lassen, sondern sich vermutlich ausserhalb der Branche einen besser bezahlten Job besorgt haben. Wann, wenn nicht jetzt, in der Hochphase der Wirtschaft? Besser wird es nicht mehr!

Globalisierung inkl. EU-Osterweiterung

Um den Personalmangel zu kompensieren, wurde allgemein auf Osteuropäer zurückgegriffen: Noch immer sind dort die wirtschaftlichen Verhältnisse angespannt und die Löhne in Deutschland wirken auf dem Papier noch immer attraktiv, selbst wenn man 240 Stunden im Monat für 1600€ arbeiten muss und Arbeitszeitgesetze verletzt. Die oben angesprochene Flexibilität ist bei diesen Menschen vorhanden, sie sind bereit, Dinge zu tun, die hier kein Mensch mehr tun würde. Sie versprechen sich davon den Aufbau eines bescheidenen Vermögens um dann in ihrer Heimat besser leben zu können, oder ihre Familie nachzuziehen. Das ist vollkommen okay und im Sinne eines friedlichen Europas: Es darf in der EU keine „Armenhäuser“ geben. Langfristig müssen auch die Arbeitsbedingungen und Gehälter in Ostpolen, Rumänien und Bulgarien auf akzeptable Niveaus ansteigen und dadurch auch der allgemeine Wohlstand. Nur dadurch wird ein friedliches Europa gesichert. Es ist also in unserem Interesse, dass diese Menschen (auch bei uns) eine Chance dazu erhalten. Kurzfristig muss zumindest rudimentär dafür gesorgt werden, dass *hier* gültige Gesetze auch eingehalten werden, inklusive des Mindestlohns.

Die dadurch „vertriebenen“ Bio-Deutschen, die hier im Wohlstand eines seit über 70 Jahren befreiten Westdeutschlands aufgewachsen und ausgebildet worden sind, müssen sich entsprechend ihres „Startvorteils“ eben für anspruchsvollere Jobs weiterbilden.

Es gibt schlicht kein Menschenrecht darauf, eine anspruchslose Tätigkeit bis zur Rente ausführen zu dürfen, nur weil man hier geboren ist oder die Staatsbürgerschaft besitzt. Alle Menschen sind gleich und dementsprechend soll der die Arbeit bekommen, der sie am günstigsten zu den gültigen Bedingungen erledigen kann. Wenn das durch Menschen aus Osteuropa erreicht wird oder z.B. durch die Fabrikation in China, dann muss man hier eben neue Bereiche finden und z.B. mal das Programmieren erlernen. JavaScript-Kurse gibt es sowohl gratis im Internet als auch bei verschiedenen Weiterbildungsanbietern als Präsenzkurs z.B. der Volkshochschule.

Die feuchten Träume des rechtsnationalen Lagers, sich „der Ausländer“ zu entledigen und dann ein „deutsche Jobs für deutsche Bürger“ einzuführen, hätte zur Folge, dass einerseits unser Leben um ein vielfaches teurer würde und somit auch viele Komfortdienstleistungen und günstige Produkte aus China für einen Großteil der Bevölkerung nicht mehr finanzierbar wäre. Wir würden uns daher als erstes selbst schädigen. Darüberhinaus möchte ich mir nicht vorstellen, was perspektivlose Menschen im Ausland dann unternehmen werden um ihrem prekären Schicksal zu entkommen.

TL;DR

  • Online hat gewonnen
  • Paketbuden sind strukturell kaputt und kaschieren das durch billige Arbeiter aus Osteuropa
  • Diese „Paketsklaven“ verdienen damit noch immer mehr, als in ihrem Herkunftsland
  • Es gibt kein Anrecht auf irgend einen Tarif, nur weil man hier geboren und zur Schule gegangen ist. Wer sich nicht weiterqualifiziert, wird durchgereicht.

 

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