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Deutsche Bahn in der WLAN-Falle

Viele Kunden wünschen sich in Fern- und Nahverkehrsmitteln nutzbares und kostenfreies WiFi (in Deutschland als WLAN bezeichnet), also vereinfacht „gratis Internet“.

Auch ich würde mich sehr darüber freuen und habe mich jahrelang über das schlechte Telekom-Angebot in den DB ICEs geärgert, obwohl ich zeitweise die damals noch kostenpflichtigen Telekom-Hotspots über einen Business-Account nutzen konnte und auch heute noch ab und an 1. Klasse fahre und deshalb bereits jetzt schon kostenfreien Zugang hätte.

Hätte. Denn das WiFi funktioniert oft nicht. Weil der Service im Zug geboten wird, konzentrieren sich die Beschwerden zuerst bei den Zugbegleitern und später beim DB-Support zB auf Twitter. Erst später wird an die Telekom als Betreiberin verwiesen.

Das blieb der Öffentlichkeit nicht unbemerkt, die Bahn in Form von Bahnchef Grube hat unter Druck des CSU-Verkehrsministers Dobrindt ein flächendeckendes, funktionierendes Angebot in 1. und 2. Klasse des ICE-Fernverkehrs bis zum Jahresende 2016 angekündigt.

Nachdem also klar war, dass die Telekom kein funktionierendes System liefern konnte, wurde eine Multi-Providerlösung ausgeschrieben, die sämtliche Mobilfunkanbieter unterstützen soll und damit die Zuverlässigkeit und die Bandbreite sicherstellen soll.

Das wird aber leider nicht funktionieren.

 

Um eine flächendeckende Mobilfunkversorgung mit so einer hohen Bandbreite zu erreichen, muss man im Abstand von ca 2km Basisstationen bzw Sendestationen errichten, auf Schnellfahrstrecken dürfte der Abstand noch geringer sein, damit das Handover zwischen den Stationen auch zuverlässig klappt. Nun sind aber insbesondere die Neubau-Bahnstrecke oft weit entfernt von Städten, Dörfern, also den Zielen der „normalen“ Mobilfunkversorgung.

Selbst dort, also in den bewohnten ländlichen Regionen, sind die großen Anbieter oft nicht in der Lage (aus Kostengründen) ihre Basisstationen mit einer ordentlichen backhaul Anbindung zu versorgen, d.h. über Glasfaserleitungen an den Backbone anzubinden. Oftmals kommen Richtfunkstrecken zum Einsatz, die ein ganzes Gebiet von Basisstationen verbinden und dementsprechend nur geringe Daten-Bandbreiten liefern können.

Es ist ein riesen Unterschied, ob ich auf niedrigen Frequenzen mit niedriger Bandbreite GSM-Sprachverbindungen anbiete, oder Paketvermittelten Datenfunk mit heute üblicher Bandbreite („Netflix/HD-Streaming“). Zwar kann man die Technik der Sendemasten aktualisieren, Protokollerweiterungen tlw sogar per Software nachrüsten, aber je höher die Bandbreite sein soll, desto geringer wir die Reichweite: Netze müssen neu geplant werden.

Das Problem ist aber durch das gleichzeitige Einbuchen bei einem der drei Netzbetreibern nicht zu lösen: Alle drei haben aus ökonomischen Gesichtspunkten die Versorgung auf Ballungsräume optimiert und darüberhinaus auf das Erreichen einer möglichst großen Bevölkerungszahl mit Sprachfunk. Also GSM, Edge, 3G. Kein Wort von LTE, kein Wort von der Bandbreite. Den besten Ausbau hat hier bereits die Deutsche Telekom, aber wenn als schon die Telekom am Ort nicht eine zuverlässige Bandbreite liefern kann, dann kann es kein anderer.

Die dafür notwendigen massiven Investitionskosten wären also auf Seiten der Mobilfunkbetreiber zu tätigen, der Druck der Öffentlichkeit und Politik bekommt aber fast ausschliesslich die Deutsche Bahn zu spüren!

Die Schweizer SBB haben sich lange dagegen gewehrt und stattdessen nur Mobilfunk-Verstärker in ihre Wagen und Triebzüge eingebaut. Letztlich hat die Swisscom aber auch in sehr abgelegenen Regionen eine deutlich bessere Anbindung inkl LTE vermutlich mit faseroptischer Anbindung realisiert, z.B.in Gletsch, dem kleinen Kaff am Rande des Furka-Passes an der historischen Bergstrecke, ehemals Standort eines luxuriösen Hotels, das aber mit dem Bau des Furka-Tunnels und der Aufgabe der Bahnstrecke sowie dem Abschmelzen des Rhonegletschers schloss. Da ist also bis auf einige Wochen im Sommer absolut nichts los, aber die Swisscom kann dort flächendeckend LTE mit guter Bandbreite anbieten.

Man könnte also verallgemeinert sagen: Die SBB hätten „nur“ Tunnelzüge und einige wenige Funklöcher versorgen müssen, den Rest hätte das sehr gut ausgebaute Swisscom-Netz liefern können. Aber sie haben es nicht getan. Es ist schlicht nicht die Aufgabe der Bahn, unlukrative Standorte für die Mobilfunkindustrie zu versorgen.

Die Kunden zahlen bereits für Mobilfunktarife, die in der Schweiz auch mit sehr viel mehr Datenvolumina als bei uns inkludiert sind. Warum soll die Bahn hier nochmals zahlen? Auf Nebenstrecken ist das Problem noch schlimmer, auch in Deutschland. Die Kosten für einen Ausbau würde in die Milliarden gehen.

Breitbandiger mobiler Datenfunk für alle ist schlicht eine Lüge. Egal wie viel die eingesetze Technologie im Einzelfall maximal übertragen könnte, die Bandbreite ist regional begrenzt, auch durch die Sendeleistung der Geräte (inkl. Antenne) und natürlich wird sie auch „geteilt“: Es ist ein shared bandwidth medium, d.h. alle aktiven Teilnehmer einer Funkzelle teilen sich die zur Verfügung stehende Bandbreite, sowohl innerhalb der Funkzelle (Mobilfunk) als natürlich auch die Anbindung der Basisstation.

Selbst in München, unweit meines Wohnortes, erhalte ich über O2 Business LTE nur lächerliche 0.5/10 MBit/s (up/down) – innerhalb des „Mittleren Ringes“ in München! Die übliche extreme Volumenbeschränkung ist also nicht nur eine Frage des des Kostendeckels, sondern auch schlicht dazu da, das Gesamtvolumen „kontroliert klein“ zu halten. Deshalb bekommt man auch keinen regulären Tarif, der unlimitierte, ungedrosselte Bandbreite oder eine saubere Volumenabrechnung beinhaltet, sondern nur Tarife, die dann auf 1/100 der Maximalbandbreite beschränken oder das Buchen einer kostenpflichtigen „Speed On“-Option nötig machen – jeweils für ein weiteres Kontingent, also je nach Verbrauch mehrmals pro Monat.

Hybrid-Tarif sind standortgebunden, d.h. erlauben dem Anbieter schlecht ausgebaute oder topografisch nicht geeignete Regionen auszulassen oder nur selektiv zu bedienen. Das ganze wird zudem „planbar“.

Es ist daher auch eine Lüge, wenn die Politik weiterhin den Mobilfunk als mögliche Methode der Breitbandversorgung ländlicher Regionen bezeichnet. Das einzige was hier zählt, ist Glasfaserstrecken so nah wie möglich zu den Konsumenten zu bringen, oder – als letztes Mittel – Richtfunkstrecken zwischen z.B. vom Dorfzentrum/Berg mit Glasfaseranbindung zum „abgelegenem Gehöft“ zu realisieren, hier sind ausschliesslich bei Sichtverbindung durchaus ein paar 100Mbit/s zur realisieren, was aber auch nur für ca 5-10 Kunden reicht (vgl. Richtfunkanbindung von Mobilfunk-Basisstationen oben.)

Bahnchef Grube war wohl nicht klar, auf was er sich einlässt, oder es ist ihm schlicht egal, denn sein Vertrag läuft ja bald aus und wie es dann weitergeht, steht noch in den Sternen.

Leider hat also Herr Grube und sein Management-Team keine Ahnung von Internet-Zugangstechniken, von technisch machbaren Bandbreiten und genutzten Bandbreiten z.B. beim Konsum von Netflix. Stattdessen wird jetzt langsam eingeräumt, dass man Trafficbegrenzung einführen muss, damit sich die Kunden im ICE nicht die Bandbreite wegnehmen. Ja, das hätte jedem schon am Anfang klar sein können, aber dieses inhärente, technisch unlösbare Problem öffentlich anzusprechen und zu diskutieren, war nicht gewollt.

Jetzt hat die Bahn also wieder ein Problem mehr, dass sie im Gegensatz zu sehr viel hausgemachten Problemen, nicht einmal selbst lösen kann.

Overpromise & Underdeliver.

 

 

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